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Der Weg zur Hölle

Der Weg zur Hölle

Titel: Der Weg zur Hölle
Autoren: Kaspar Dornfeld
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PROLOG - PARKBÄNKE
PARKBANK: Bank zum Verweilen in einem Park.
    (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Gütersloh 2008)
    Irgendwann hat mir jemand erzählt, dass man in Zürich fantastische Currywurst kriegt.
    Das Problem wäre nur, nach dem Essen die Pappe wegzuschmeißen, auf der sie serviert wird. Die Straßen seien unglaublich sauber und Mülleimer gebe es keine. In Zürich etwas auf den Gehweg zu werfen, bedürfe angeblich besonderer Chuzpe.
    Vielleicht glaubt man in der Schweizer Großstadt, dass jemand, der kulturlos genug ist, im öffentlichen Raum Fastfood von kleinen Pappen zu essen, auch kein Problem damit hat, diese hinterher ordentlich zusammengefaltet in die Hosentasche zu stopfen und im eigenen Heim der Müllverbrennungsanlage zu überantworten, die selbstverständlich den neuesten Umweltstandards gehorcht.
    Ich übertreibe. Es wird auch in Zürich möglich sein, eine Wurstpappe zu entsorgen, ohne sich strafbar zu machen, doch es ist eine Tatsache, dass es Städte gibt, in denen Müll im öffentlichen Raum ein sehr viel kleineres Problem darstellt als in Berlin.
    Hier gibt es eigentlich überall Mülleimer. Meist in grellem Orange, um immerfort an ihre Anwesenheit zu gemahnen.
    Das hat etwas Herabwürdigendes: als würde man den Bewohnern der Stadt nicht zutrauen, mit eigenen Augen einen Abfalleimer zu finden.
    Vielleicht gibt es gerade deshalb so viel Müll auf den Straßen? Aus Trotz? Oder weil man das Gefühl hat, man müsse den Eimer, der einem direkt vor der Nase hängt nicht benutzen, weil fünfzig Meter weiter schon der nächste ist? Und irgendwann wird das Spiel zu blöd, und man lässt die Wurstpappe einfach fallen.
    Als ich mit dem Rauchen aufhören wollte, brauchte ich eine volle Schachtel in der Tasche, um nicht die ganze Zeit an Zigaretten zu denken.
    Ich gebe es zu: als Anfang einer Geschichte um ermordete Fernsehmacher und chronisch übermüdete Kriminalhauptkommissare sind Überlegungen zur Städtereinheit etwas merkwürdig, und ich bitte, die Weitschweifigkeit meiner Gedanken zu entschuldigen. Ich habe viel Zeit.
    Sehr, sehr viel Zeit, denn ich bin tot.
    Mein Name ist Kaspar Dornfeld, und ich wurde vor über zwanzig Jahren ermordet.
    Seither wandle ich, wenn Sie mir den kitschigen Ausdruck gestatten wollen, als Geist über die Erde und habe genau wie alle anderen Toten einen endlosen Kampf mit dem schlimmsten Folterinstrument der Ewigkeit auszutragen: der Langeweile.
    Der Tod ist eben ein Ponyhof.
    Zwei Jahre lang, heißt es bei uns, ist es durchaus spannend, ein Geist zu sein, danach nutzt es sich rasch ab. Bis dahin findet man alles an seiner neuen Existenz aufregend und fesselnd, berauscht sich an der Freiheit von aller Materie, geht durch Wände, umrundet die Welt auf allen Längen- und Breitengraden und lebt auch noch die absurdesten Formen von Voyeurismus aus. Danach wird die Überzeugung, alles schon gesehen zu haben, ein häufiger Gast in den eigenen Gedanken.
    Interessanterweise gilt die Grenze von zwei Jahren bei den Lebenden auch als der Zeitpunkt, wo das natürliche sexuelle Begehren zweier Menschen zueinander verschwindet. Vielleicht gibt es da einen Zusammenhang?
    Sobald die Zeit des Austobens vorbei ist, setzt etwas ein, das man als einen der wesentlichen Aspekte der Geisterexistenz bezeichnen könnte: Hobbys.
    Wir beobachten, protokollieren, sammeln. Rein virtuell natürlich, denn es gibt für uns keine Möglichkeit, Gegenstände zu bewegen oder mit den Lebenden in Kontakt zu kommen. Einfach gesagt: Wir führen Listen. Über jede noch so winzige Kleinigkeit der atmenden, sich unentwegt verändernden Welt, von einem Quadratmeter Wiese, der vertrocknet, bis hin zur Verschiebung tektonischer Platten, von allen Möglichkeiten, Muffins zu backen bis zu allen Titelseiten aller Zeitungen der Welt. Ich kannte mal einen Geist, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, jede lexikalische Definition jedes bekannten Wortes zu sammeln. Schwer für ein Wesen, das kein Buch aufschlagen kann!
    Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt merkwürdigere Hobbys.
    Warum wir das machen? Ich habe keine Ahnung. Gegen die Langeweile wahrscheinlich, auch wenn das eine armselige Begründung ist.
    Nun — jeder stirbt. Vielleicht finden Sie einen besseren Grund.
    *
    Ich war bei Mülleimern, was mich direkt zu Parkbänken führt, denn so kam ich ja erst darauf. Ich wollte von Reemund erzählen. Kriminalhauptkommissar Ernest Reemund, um genau zu sein.
    Zu der Zeit sammelte ich Parkbänke. Das heißt, ich
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