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...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst

Titel: ...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Autoren: Julia Arden
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der »Freundin« übernahm? Jemanden mit weniger Skrupeln, der keine Rücksicht auf Tanjas Sensibilität nehmen würde?
    Du könntest Tanja davor bewahren. Als wirkliche Freundin. Was spielt es für eine Rolle, warum ihr euch ursprünglich kennengelernt habt, wichtig ist nur, dass du die Kleine magst. Du kannst sie aus ihrer Einsamkeit befreien, kannst ihr helfen, das Leben zu entdecken, kannst diese blauen Augen zum Lachen bringen.
    All diese Gedanken rasten Michaela innerhalb weniger Sekunden durch den Kopf und führten blitzschnell zu einem Entschluss. Sie würde Walter Kanters idiotischen Plan vergessen, aber in Tanjas Nähe bleiben. Gegenüber Kanter würde sie so tun, als wäre sie auf seiner Seite, und Vanessa, der sie ja die neue Freundin irgendwie erklären musste, würde sie auch die offizielle Version vortragen.
    An dieser Stelle stutzte Michaela. Sie stellte sich die Frage, warum sie das tun wollte. Warum ging sie nicht einfach und hielt sich aus allem raus? Wäre das nicht viel einfacher?
    Ja, das wäre es. Aber ein Blick zu Tanja, in deren bereits wieder traurig schimmernde Augen, machte es ihr unmöglich, diesen einfachen Weg zu gehen.
    »Willst du mich denn wiedersehen?« fragte Michaela sanft.
    Tanja entgegnete ihrem Blick. »Ja, schon. Aber ich kann wohl kaum verlangen, dass du mir noch mehr Zeit opferst.«
    Michaela zwinkerte Tanja zu. »Ich glaube, du hast noch einen Wunsch bei mir frei, weil ich dein Auto demoliert habe. Du könntest dir wünschen, dass ich dich morgen zum Abendessen einlade.«
    Tanjas fragender Gesichtsausdruck bestärkte Michaela in ihrem Entschluss. Unglaublich! dachte sie. Entweder verstand Tanja den Wink nicht, der doch nun wirklich mehr als direkt war, oder sie war zu scheu, die Einladung anzunehmen.
    »Du kannst darüber nachdenken, während ich auf die Toilette gehe«, sagte Michaela schmunzelnd und ließ Tanja allein.
    Tanja schaute Michaela verwirrt nach. Sie konnte nicht glauben, was heute alles passierte. Am Morgen rammte Michaela ihren Mini. Statt ihr einfach die Versicherungsnummer zu geben und davonzurauschen, fuhr Michaela sie zur Uni. So weit, so gut. Aber spätestens hier hätte Tanja nun erwartet, dass Michaela sich verabschiedete. Denkste! Michaela wartete in der Cafeteria, bis sie mit ihrer Prüfung fertig war, und lud sie zu einem Einkaufsbummel ein. Entweder war Michaela ein ganz besonders netter Mensch oder einer mit einem besonders schlechten Gewissen. Tanja wusste es nicht. Als Michaela sie mit dem Geschenk überraschte, war sie überwältigt. Nur deshalb rutschte ihr das »Schade« heraus. Einfach, weil sie den bevorstehenden Abschied wirklich bedauerte. Und wieder schaffte Michaela es, sie zu überraschen. Mit einer Einladung, ganz wie nebenbei. Es war Tanja rätselhaft, warum Michaela so herzlich zu ihr war. Es musste das schlechte Gewissen sein. Eine andere Erklärung gab es nicht.
    Und deshalb wäre es unfair, Michaelas Einladung anzunehmen. Das wusste Tanja. Sie nahm sich vor: Wenn Michaela zurückkommt, bedankst du dich für alles und sagst Auf Wiedersehen. In der Gewissheit, dass es genau das nicht geben wird: ein Wiedersehen. Aber es musste sein. Sie durfte Michaelas Freundlichkeit nicht länger ausnutzen.
    Tanja seufzte. Sie sah es vor sich: Michaela würde lächeln, sich mit ihrer warmen, freundlichen Stimme wiederum bei ihr bedanken und gehen. Und mit ihr würde die wohltuende Aufmerksamkeit verschwinden.
    Ein zweiter Seufzer entschlüpfte Tanja. Sie war ehrlich genug zuzugeben, wie sehr sie diese Aufmerksamkeit genossen hatte. So etwas war ihr schon sehr, sehr lange nicht mehr passiert. Für gewöhnlich beschränkte sich die Aufmerksamkeit, die man ihr zukommen ließ, darauf, sie als Tochter ihres Vaters zu betrachten. Der wiederum erinnerte sie bloß ständig daran, dass es an der Zeit sei, ihren Platz in der Firma einzunehmen. Das schien seine einzige Sorge zu sein.
    Michaela kam von der Toilette zurück und setzte sich wieder Tanja gegenüber an den Tisch. »Und? Hast du einen speziellen Wunsch, was das Essen betrifft?« fragte sie mit einem Schmunzeln im Gesicht.
    Tanja, völlig überrumpelt davon, mit welcher Selbstverständlichkeit Michaela die Verabredung bereits als gegeben nahm, vergaß, was sie sich vorgenommen hatte. Sie lächelte Michaela glücklich an.

3.
    » D u gehst aus?« Vanessa zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Und fragst gar nicht, ob ich mitkommen will?«
    Michaela lächelte. »Geht nicht, Schatz. Ist sozusagen
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