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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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Provokationen gegeben, kübelweise großspuriges Getue, Leute hatten sich mir genähert, jähe Gewaltexplosionen, gebrochene Nasen, gebrochene Glieder. Jeder im Bau wusste, dass ich ein Bulle war. Daher war es völlig normal, dass ich damit rechnete, die nächsten Schritte, die ich hörte, kämen meinetwegen.
    Eines Nachts, ich war ein paar Wochen im Bau, hörte ich sie die Zellenreihe herunterkommen, Schritte, meine ich, dachte, jetzt ist es so weit. Aber nichts geschah, und nach einer Weile begriff ich, dass das, was ich hörte, worauf ich wartete, überhaupt keine Schritte waren, es war nur der Regen. Ich begann zu lachen.

    Eine Stimme kam aus der Nachbarzelle. »Frischfleisch?«
    »Jepp.«
    »Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank, oder was?«
    Eine halbe Stunde nach dem Lichtausmachen. Aus der uns umgebenden Dunkelheit wurden ganz unterschiedliche Geräusch-Päckchen zugestellt: Schnarchen, Fürze, Stöhnen ganz offensichtlich sexueller Natur, das Spülen von Toiletten. Eine einzelne Glühbirne brannte am Ende jeder Zellenreihe. Die Stiefel der Wärter mit ihren Stahlkappen klangen auf den Metallstufen und Laufgängen.
    »Scheiße, wenn ich denke, es wäre anders«, antwortete ich.

Kapitel Siebenunddreißig
    Sich von etwas zu trennen, das ist der Schlüssel, das Geheimnis, das einem niemand verrät. Vom ersten Tag deines Lebens an beginnen sich Dinge um dich herum aufzutürmen: Bedürfnisse, Wünsche, Ängste, Abhängigkeiten, Bedauern, verlorene Verbindungen. Sie sind immer da. Aber du kannst entscheiden, was du damit machst. Kannst sie polieren und ins Regal stellen. Kannst sie wegpacken hinter dem Haus bei der Trauerweide. Kannst sie auf die Veranda vor der Haustür schleppen und dich darauf setzen.
    Val und ich saßen auf der Veranda vor dem Haus. Sie trug Jeans, ein rosafarbenes T-Shirt, das Haar mit einem passenden rosafarbenen Tuch hochgebunden. Ich dachte gerade, wie genau hier auf dieser Veranda alles angefangen hatte mit Lonnie Bates und mir. Wo damals Lonnies Jeep gestanden hatte, parkte jetzt Vals gelber Volvo. Das schien bereits eine Ewigkeit her zu sein.
    Val und ich machten beide blau. Irgendwie würde die Welt, unser kleiner Winkel davon, eine solche Verantwortungslosigkeit schon überleben.
    »All unsere Konflikte, selbst die körperlich fassbarsten, die kleinsten und unbedeutendsten - in ihrem Kern sind es ausnahmslos moralische Kämpfe«, sagte Val.
    »Ich weiß nicht. Das stellen wir uns gern so vor. Es spendet uns Trost. Genau wie wir glauben wollen, glauben
müssen, dass unsere Handlungen immer aus höheren Motiven heraus erfolgen. Basierend auf Prinzipien. Wo sie doch in Wahrheit sich ableiten aus dem, was unser Charakter, was unsere persönliche und kollektive Geschichte diktiert. Wir sind durchdrungen von diesen Geschichten, genau wie Voodoo-Geister in lebendigen Körpern wohnen, die sie ›Pferde‹ nennen.«
    »Menschen können sich ändern. Denk doch nur an dich selbst.«
    Natürlich gibt es Veränderung, und es gibt Veränderung. Der Stadtrat hatte versucht, mich als kommissarischen Sheriff zu gewinnen, und ich antwortete: Ihr Narren habt den falschen Mann. Nur so lange, bis Lonnie zurückkehrt, das ist uns doch allen klar, oder nicht? Jetzt arbeitete ich als Deputy unter Don Lee. Ich war hierhergekommen, um mich frei zu machen, um weiter voranzubringen, was ich als Befreiung verstand, um mich von den Menschen zurückzuziehen. Stattdessen musste ich feststellen, dass ich auf einmal wieder mittendrin war.
    Val war ein typisches Beispiel.
    »Ich habe etwas für dich«, sagte ich zu ihr. Ich ging hinein und brachte es mit nach draußen. Sie öffnete den ramponierten, abgewetzten Koffer. Im Unterschied dazu befand sich das darin liegende Instrument in einem ausgezeichneten Zustand. Intarsien, die Sterne und eine Mondsichel darstellten, Wirbel aus echtem Elfenbein.
    »Das ist …«
    »Ich weiß, was es ist. Eine Whyte Laydie. Ein legendäres Instrument. Ich habe noch nie eines in echt gesehen, nur auf Fotos.«

    »Es hat meinem Vater gehört. Vor ihm seinem Vater. Ich möchte, dass du es jetzt bekommst.«
    Sie ließ einen Finger über die Saiten gleiten. »Du hast mir nie erzählt, dass er gespielt hat.«
    »Hat er auch nicht, als ich vorbeikam. Aber davor.«
    »Du kannst so etwas wie das hier nicht einfach so weggeben, Turner.«
    »Es ist meine Art, dir zu sagen, dass ich hoffe, ihr beide bleibt mir nahe.«
    Das Banjo und Val oder mein Vater und Val? Sie fragte nicht. Mit ungeheurer
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