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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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hatte kleinere Rollen in mehreren Low-Budget-Hollywood-Filmen gespielt und war stolzer Besitzer einer Mitgliedskarte der Schauspielergewerkschaft. Als jedoch die Gewerkschaft dahinterkam, dass er in einem nicht von der Gewerkschaft sanktionierten Film aufgetreten war, und ihn daraufhin sperrte, beschloss er auf der Stelle, dass ihre Vereinbarung damit hinfällig war. Bezahlte nie das verhängte Bußgeld, sah nicht mehr zurück. Und gebrauchte nie wieder einen anderen Namen als Sammy Cash.
    »Es schien, als wäre er durch diese Erfahrung befreit worden«, erzählte Billy Roark. »Vorher war er ein guter Handwerker, stets zuverlässig, man wusste, dass er pünktlich aufkreuzte und stets so lange blieb, wie er gebraucht wurde, bis der Job erledigt war. Doch dann … blühte Sammy einfach auf. Schon bald wollte ihn einfach jeder. Film um Film - in allen meinen eigenen und auch in denen von einem halben Dutzend anderer Filmemacher - war er brillant, einfach nur unglaublich brillant. Egal in was für einer Rolle.«
    Unmerklich zuerst begann sich dann aber alles zu ändern. Das Fernsehen entwickelte sich zu einem Koloss, der jede Konkurrenz plattwalzte, lieferte kostenlos und im eigenen Wohnzimmer, was B-und noch schlechtere Filme nur
billig bieten konnten. Kleine Kinos in Familienbesitz verschwanden oder wurden von Ketten aufgekauft, die sich wiederum gezwungen sahen, für anstehende Hollywood-Produktionen hoch bieten zu müssen, und dann, um die Kosten wieder hereinzubekommen, jedes mögliche Kino damit buchten. Unterdessen schossen die Kosten für Film, Ausrüstungsmiete und beispielsweise Schnittstudios in astronomische Höhen. Ein paar Filmemacher hielten durch. Bis zum bitteren Ende.

    »Eines ist klar«, sagte Billy Roark. »Diese Zeit wird nie wiederkehren.« Er schaute auf. »Haben wir Ihnen eigentlich Drinks gebracht? Nein? Das sollten wir aber wirklich tun. Ich fürchte, wir sind ein bisschen aus der Übung hinsichtlich der Bewirtung von Gästen.«
    »Er spricht nicht gern über all das«, sagte Sammy Cash. »Denkt nur noch selten daran.«
    Die Traurigkeit in den Augen seines Freundes strafte ihn Lügen, noch bevor Billy sprach.
    »Ich habe sie dafür gehasst, dass sie mir alles genommen haben. Mir im Grunde mein Leben genommen haben.«
    »Billy, bitte«, sagte Sammy Cash.
    »Es wurde davon gesprochen, The Giving sei mein Schwanengesang, so etwas wie eine letzte Hommage an die große Filmkunst. Drauf gepisst. Was ich ihnen gab, ihnen allen zeigte - Hollywood, den Studios, neue Krämerseelen, die alles aufkauften, was ihnen unter die Finger kam -, war der Stinkefinger. Die Penner besaßen nicht mal genug Verstand,
das zu kapieren. Fresst es und erstickt dran, hab ich ihnen gesagt. Nehmt diesen Haufen Scheiße und stopft ihn euch dahin, wo er hergekommen ist.«
    »Schon gut, Billy. Das alles ist lange her. Uns geht’s doch heute gut, oder nicht? Wir haben ein gutes Leben.« Sammy Cash sah von Lonnie zu mir. »Meinen Sie nicht auch, dass Sie ihn jetzt genug aufgeregt haben?«
    »Wir haben uns nie besonders gemocht, Gordie«, sagte Henry Lee, »und wahrscheinlich wirst du es nicht glauben, aber ich habe immer sehr zu schätzen gewusst, was du für meinen Bruder getan hast, auch deine Ergebenheit ihm gegenüber.« Dann, zu Lonnie und mir: »Nach Billys Schwierigkeiten …«
    »Schwierigkeiten?«, unterbrach ich.
    »Ein Zusammenbruch. Er war fast ein Jahr lang im Krankenhaus. Als er entlassen wurde, habe ich dieses Haus hier für ihn gekauft, habe alles so eingerichtet, dass er für den Rest seines Lebens sicher wäre, dass ihm nie etwas fehlte.«
    »Ihr Bruder kümmert sich sehr um Sie«, sagte der Sheriff. »Sammy ebenfalls.«
    Billy nickte.
    »Sind Sie jemals einem Mann namens Carl Hazelwood begegnet, Billy?«, fragte ich.
    Keine Reaktion diesmal. Ich dachte an all die Filme, in denen U-Boote die Maschinen abstellen und tot spielen in der Hoffnung, nicht auf dem Sonar zu erscheinen.
    »Er hat versucht, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen. Carl war ein großer Fan von Ihnen, Billy. Vielleicht sogar Ihr größter Fan. Er hat verstanden, was Sie geschaffen haben, was Sie erreicht haben. Er wollte unbedingt mit Ihnen
über die Filme sprechen, die Sie gemacht haben, Ihnen sagen, wie wichtig sie für ihn gewesen sind.«
    »Ich …«, setzte Billy an. Selbst der Drink war leer, als er versuchte, darin Zuflucht zu suchen. Sinkend, verloren, schaute er sich um. Sah Sammy an. Aus dem Fenster. Auf diese vertrauten
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