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Turner 01 - Dunkle Schuld

Turner 01 - Dunkle Schuld

Titel: Turner 01 - Dunkle Schuld
Autoren: James Sallis
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$, die an die Scheibe gepinselt waren, allerdings nicht.
    »Jetzt links«, brachte uns zu einer unerwarteten Stadt.
    Im ersten Haus, das wie ein herrschaftliches Anwesen der Vorkriegszeit aussah, nur eben in stark verkleinertem Maßstab, und etwas zurückgesetzt von der Straße lag, befand sich jetzt das Büro eines Immobilienmaklers. Zwei
Stühle hätten auf dem Balkon nur so gerade eben Platz. Daneben war Mercers Leichenhalle angesiedelt, in, wie es aussah, einer alten Kirche. Gegenüber auf der anderen Straßenseite ein kleiner Supermarkt, Manny’s, mit einer einzelnen Tanksäule davor. Ein Grill, der aus einer halbierten, aufgeklappten Dreihundertfünfzig-Liter-Tonne gebaut war, mit angeschweißten Beinen dran, stand auf einer Seite unter dem überhängenden Dach. Dann kam ein langer Abschnitt Holzhäuser zwischen Bäumen, viele mit Türmchen oder umlaufenden Galerien.
    Wir fuhren in die Einfahrt eines hellbraunen zweistöckigen Hauses mit dunkelbraunem Dach und Rand, dessen aufwendige Verzierungen mich an eine Fahrt mit meiner Familie in die Ozark Mountains erinnerte, als ich so ungefähr zehn war, und an die Stichsäge, die mein Vater benutzte, um den Bumerang zu kopieren, den ich bei einem Versandhandel bestellt hatte. Gleich beim ersten Wurf donnerte er gegen die Garage und ging kaputt; ich war am Boden zerstört. Mein Vater fischte ein ähnliches Stück Holz aus einer Kiste, legte die zerbrochenen Teile obenauf und machte mir einen neuen. Mit derselben Säge und mit der Bandsäge baute er den größten Teil der Möbel unseres Spielzimmers, das wir unsere Höhle nannten. Dies war noch lange bevor er selbst zu einem Möbelstück wurde - und es meiner Schwester überließ, sich um die Familie zu kümmern.
    Dann war da noch der Duft von Feigen. Als Kind, vielleicht vier Jahre alt (es kann nicht viel älter gewesen sein, denn Mom ging im darauffolgenden Jahr), fiel ich von einem Feigenbaum, in dem ich herumgeklettert war; es verschlug
mir den Atem, und ich stolperte auf die Veranda, wo ich keuchend liegen blieb. Mutter rauschte aus dem Haus, mit einer Schürze über dem bedruckten Kleid, die Hände voller weißem Mehl und schrie: Hilf ihm! Mein Vater warf einen langen Blick rüber und wusste sofort, was los war. Es geht ihm gleich wieder besser, gib ihm einen Moment. Er sieht irgendwie aus wie ein Fisch, nicht?
    Die Tür wurde von einem Mann geöffnet, der, ich schwöre es (und ich hatte noch nie vorher eines gesehen, außer im Film) ein Smoking-Jackett trug. Adrett, keine Frage, obwohl bei näherem Hinsehen das Jackett abgetragen war und die Krawatte darunter ältere Flecken vom Essen und Trinken hatte. Und dass er ein Glas Milch in der Hand hielt statt ein Glas Martini, unterstrich den Effekt noch.
    Tatsächlich, erfuhr ich später, war es gar keine Milch, sondern etwas, das Milchpunsch genannt wurde und aus Bourbon, Milch und Zucker bestand. Gut gegen Magengeschwüre, erklärte er mir.
    »Bubba!«, sagte die Erscheinung und blinzelte ins Licht. »Was für eine absolut wunderbare Überraschung!« Starke Betonung auf wunderbare, klitzekleine Pausen davor und danach. »Und du hast Freunde mitgebracht!«
    »Wie geht’s Billy?«
    »Bitte kommt doch rein. Kommt rein, kommt rein. Ihr alle.«
    In ein lavendelfarbenes Wohnzimmer gescheucht, standen wir herum wie erwischte Wild-Camper, die nicht sicher waren, was als Nächstes von ihnen erwartet wurde. Lila Vasen, kobaltblaue Krüge und violett gefärbte Gläser standen rum. Stillleben mit Früchten und Wild, im klassischen
Stil, aber ganz offensichtlich neu, hingen an zwei Wänden. Über einem malvenfarbenen Ledersofa prangte das riesige Foto eines erigierten Penis, zu einer derartigen Dimension und Grobkörnigkeit vergrößert, dass es fast abstrakt wirkte. An der gegenüberliegenden Wand hing ein Poster, das die Vaginas verschiedener Frauen wie exotische Früchte darstellte.
    »Wir haben Besuch?«, trällerte eine Stimme von oben.
    »Henry Lee. Und Freunde.«
    »Oh.« Deutlich hörbare Enttäuschung in der Stimme.
    »Was darf ich euch anbieten? Vielleicht einen Champagner? Haben immer ein paar kalte Flaschen im Kühlschrank. Man weiß nie, wer vorbeikommt und welche Gründe zum Feiern der Tag wohl so bringt. Oder welche Mimosen! Wir haben einen Sack der dicksten, saftigsten Orangen, die ihr euch vorstellen könnt. Vom letzten Bauernmarkt auf dem Karree?«
    »Billy, das hier ist Sheriff Bates. Mr. Turner ist ein Detective unten aus Memphis.«
    »Oh, ich liebe
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