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Das Unsterblichkeitsprogramm

Das Unsterblichkeitsprogramm

Titel: Das Unsterblichkeitsprogramm
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Zwei Stunden vor Sonnenaufgang saß ich in der Küche zwischen abblätternden Wänden und rauchte eine von Sarahs Zigaretten, während ich auf den Mahlstrom lauschte und wartete. Millsport hatte sich schon vor langem schlafen gelegt, aber draußen im Reach zerrten immer noch die Strömungen an den Untiefen, und die Geräusche kamen an Land und durchstreiften die leeren Straßen. Vom Strudel trieb ein feiner Nebel heran, der sich wie Tücher aus Musselin auf die Stadt legte und die Küchenfenster beschlug.
    Mit chemischer Aufmerksamkeit machte ich zum fünfzigsten Mal in dieser Nacht eine Inventur der Hardware auf dem zerkratzten Holztisch. Sarahs Nadelpistole von Heckler & Koch funkelte mich matt im schwachen Licht an. Der Kolben stand offen und wartete auf den Ladestreifen. Es war die Waffe eines Attentäters, kompakt und absolut leise. Gleich daneben lagen die Magazine. Sarah hatte Klebeband um jedes einzelne gewickelt, um die Munition unterscheiden zu können – grün für eine Dosis Schlaf, schwarz für eine Ladung Spinnengift. Die meisten Ladestreifen waren schwarz umwickelt. Sarah hatte in der vergangenen Nacht eine große Menge Grün für die Sicherheitswachen bei Gemini Biosys verbraucht.
    Mein Beitrag zum Arsenal war weniger subtil. Die große silberne Smith & Wesson und die vier noch übrigen Halluzinogengranaten. Die dünnen roten Linien an jedem Behälter schienen leicht zu funkeln, als wollten sie sich vom Metall lösen und zu den Schnörkeln gesellen, in denen der Rauch meiner Zigarette emporstieg. Die Verschiebung und Veränderung der Signifikanten war eine Nebenwirkung des Tetrameth, das ich nachmittags am Hafen beschafft hatte. Normalerweise rauchte ich nicht, wenn ich nüchtern war, aber aus irgendeinem Grund löste das Tet jedes Mal dieses Bedürfnis aus.
    Vor dem fernen Rauschen des Mahlstroms hörte ich es. Das hektische Wischen von Rotorblättern auf dem Gewebe der Nacht.
    Ich drückte die Zigarette aus, kaum von mir selbst beeindruckt, und ging ins Schlafzimmer. Sarah schlief, eine Ansammlung von niederfrequenten Sinuskurven unter dem Bettlaken. Eine rabenschwarze Haarsträhne bedeckte ihr Gesicht, und eine Hand mit langen Fingern hing über die Bettkante. Als ich dastand und sie betrachtete, wurde draußen die Nacht aufgerissen. Einer der Orbitalwächter von Harlans Welt feuerte einen Probeschuss in den Reach ab. Donner aus dem erschütterten Himmel rollte heran und ließ die Fenster zittern. Die Frau im Bett rührte sich und wischte sich das Haar aus dem Gesicht. Der Flüssigkeitskristallblick fand mich und fixierte mich.
    »Worauf starrst du?« Die Stimme heiser von den Rückständen des Schlafs.
    Ich lächelte ein wenig.
    »Hör auf mit dem Mist. Sag mir, warum du mich ansiehst.«
    »Einfach so. Es ist Zeit zum Gehen.«
    Sie hob den Kopf und bemerkte das Geräusch des Hubschraubers. Der Schlaf fiel von ihr ab, und sie setzte sich im Bett auf.
    »Wo wär’ die ’ware?«
    Das war ein alter Corps-Witz. Ich lächelte, so wie man es tat, wenn man einen alten Freund wiedersah, und zeigte auf den Koffer, der in der Ecke des Zimmers stand.
    »Hol mir meine Waffe.«
    »Sehr wohl, Ma’am. Schwarz oder grün?«
    »Schwarz. Ich traue diesem Abschaum nicht weiter als einem Klebfilm-Kondom.«
    In der Küche lud ich die Nadelpistole, warf einen Blick auf meine eigene Waffe und ließ sie dort liegen. Stattdessen nahm ich eine der H-Granaten in die andere Hand. Im Durchgang zum Schlafzimmer blieb ich stehen und wog die beiden Stücke Hardware in den Händen, als wollte ich entscheiden, welches schwerer war.
    »Eine kleine Ergänzung Ihres Phallus-Ersatzes, Ma’am?«
    Sarah blickte unter der Sichel aus schwarzem Haar auf, die ihr über die Stirn gefallen war. Sie war gerade dabei, sich lange Wollstrümpfe über die glänzenden Schenkel zu ziehen.
    »Das Ding mit dem langen Lauf ist deins, Tak.«
    »Größe spielt keine…«
    Wir beide hörten es gleichzeitig. Ein zweifaches metallisches Klacken aus dem Korridor. Unsere Blicke trafen sich, und eine Viertelsekunde lang sah ich in ihren Augen eine Spiegelung meines eigenen Erschreckens. Dann warf ich ihr die geladene Nadelwaffe zu. Sarah fing sie in der Luft auf, im gleichen Moment, als eine ganze Schlafzimmerwand krachend in sich zusammenstürzte. Die Explosion warf mich rückwärts in eine Ecke und zu Boden.
    Sie mussten uns mit Körperwärmesensoren im Apartment lokalisiert haben, bevor sie die gesamte Wand mit Haftminen präpariert hatten. Diesmal
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