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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute
Autoren: Margie Orford
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Prolog
    Der Mann sitzt mit einer brennenden Zigarette zwischen den Fingern im Sessel. Die Manschette seines Seidenhemds liegt eng an seinem schmalen Handgelenk, der Manschettenknopf glitzert im Kunstlicht. Obwohl das Zimmer im Zentrum des Hauses liegt, hört er das Knallen zuschlagender Autotüren in der Garage. Er hebt den Kopf – kurz gestutztes Haar, an manchen Stellen Narben – und lauscht. Er wartet. Er hat im Gefühl, wie lange es dauert. Dann hievt er sich aus dem Ledersessel und geht zur Tür, die mit einem Knopfdruck aufgleitet. Dieser Raum mit den darin verwahrten Dokumenten und Aufzeichnungen ist von nirgendwo einzusehen. Niemand betritt ihn ungebeten.
    Mit zwei Schritten ist er in dem Zimmer, in das die neue Lieferung gebracht worden ist. Das Mädchen sieht ihn verängstigt an. Das provoziert ihn. Er streckt dem Mädchen die Hand hin, und weil sie zur Höflichkeit erzogen ist, gibt sie ihm die ihre. Er schaut sich die Hand an. Dann dreht er die Handfläche nach oben. Er sieht dem Mädchen in die Augen und lächelt, während er die Zigarette in ihrer Hand ausdrückt.
    Â»Willkommen«, sagt er.
    Das Mädchen starrt auf die sengende Wunde in ihrer
Handfläche. Ihr heftiges, schockiertes Einatmen durchbricht das Schweigen.
    Â»Wie heißt du?«, murmelt er und streicht ihr dabei das lange Haar hinters Ohr.
    Â»Ich will nach Hause«, flüstert sie. »Bitte.«
    Der Mann fährt ihr über das runde Kinn, die weiche Kehle. Dann dreht er sich um und geht in sein Büro zurück. Er ist an Macht gewöhnt und hat es nicht nötig, sich aufzuspielen. Er weiß, dass das Mädchen ihn nicht aus den Augen lässt. Er tippt eine Telefonnummer ein. Der Anruf wird sofort angenommen.
    Â»Ich habe etwas für Sie. Frische Ware. Nein, nein, noch unbenutzt.« Er lacht, dreht sich um und sieht zu, wie das Mädchen noch vor Ende des Gesprächs hinausgebracht wird.
    Viele Stunden später kauert das Mädchen in einer Zimmerecke, bekommt nichts mit von dem unbewegten Auge der Beobachtungskamera. Sie ist allein und hat die Knie eng an den Körper gezogen. Unter einer kratzigen und verdreckten Decke ist sie nackt. Sie zittert, hält die Hand im Schoß, versucht, die Finger so zu krümmen, dass das verbrannte Fleisch in ihrer Hand nicht wehtut. Das Gefühl von Fingern, die sich festkrallen, ist für immer in ihre Haut eintätowiert; die Prellungen aus den kurzen Augenblicken, in denen sie sich gewehrt hat, schmerzen. Sie umschlingt ihre Knie noch fester. Dabei muss sie vor Anstrengung wimmern. Bei dem Geräusch erschauert sie und senkt den Kopf. Sie kann nicht daran denken, ob es eine Möglichkeit gibt zu überleben. Aber sie ist auch zu sehr von Hass erfüllt, um sich den Tod zu wünschen. Nach langer Zeit hebt sie den Kopf.

    Was die Kamera nicht sehen kann: um zu überleben, denkt das Mädchen jetzt an Möglichkeiten zu töten.
    Â 
    Die Tür geht auf. »Das Abendessen, Sir«, kündigt das Hausmädchen an, blickt auf den Bildschirm und erstarrt.
    Ein Druck auf die Fernbedienung, und das misshandelte Mädchen verschwindet.
    Â»Danke«, sagt der Gastgeber. Er wendet sich seinen Gästen zu. »Hier entlang, meine Herren.«
    Nachdem die Männer gegangen sind, sammelt das Hausmädchen Gläser und Aschenbecher ein. Sie schaltet die Lichter aus, macht die Tür zu und geht, um beim Servieren des Essens zu helfen.

1
    Der alte Harry Rabinowitz fand die Leiche am frühen Morgen auf einem Spaziergang in der Nähe seiner Wohnanlage. Ihre Kehle war präzise durchgeschnitten. Aber das war nicht das Erste, was ihm auffiel. Sie lag mit ausgestreckten Gliedern auf der Uferpromenade von Sea Point, vor den Augen aller. Ihr Gesicht wirkte kindlich im Tod, das dunkle Haar bewegte sich leicht in der Brise. Blut hatte sich in den Augenwinkeln gestaut und war dort getrocknet, aber über ihre rechte Wange lief eine schmale Blutspur wie von einer heruntergerollten Träne. Ihre teilweise entblößten Brüste zeigten, dass sie bald zu einer erwachsenen Frau geworden wäre. Der linke Arm lag gerade ausgestreckt hinter ihrem Kopf. Die rechte Hand war mit einem blauen Seil zu einer Faust zusammengebunden und ruhte auf der Hüfte.
    Eine Art Brautstrauß war neben sie gelegt worden. Später würden die Menschen, die sich neugierig um die Tote scharten, die Blumen achtlos zertrampeln, und der alte
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