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Blutsbraeute

Blutsbraeute

Titel: Blutsbraeute
Autoren: Margie Orford
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wieder rauszukommen«, sagte Julie.
    Clare überflog den Artikel. »Unglaublich, Julie. Es wird nicht mal erwähnt, dass die Friedenshüter im Kongo Lebensmittellieferungen gegen Sex eintauschen. Das scheint überhaupt niemanden zu interessieren!«
    Â»Ich weiß, aber immerhin rückst du den Krieg wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.«
    Â»Ich glaube, dass die Leute nicht mehr zwischen einem Dokumentarfilm und Reality-TV unterscheiden können«, sagte Clare. »Und außerdem schäme ich mich, weil ich erfahren habe, wie überwältigend das Gefühl der Macht ist. Auch eine Kamera verhilft zu Macht, so einfach ist das.«
    Â»Das ist dein Beruf, Clare, das ist deine Arbeit«, sagte Julie. »Aber ich will gar nicht versuchen, dich wieder mal davon zu überzeugen, dass du die Beste bist. Erzähl mir also etwas anderes. Wie war deine Surfstunde?«
    Â»Umwerfend«, sagte Clare. »Einfach zum Fürchten, aber umwerfend. Ich habe mindestens zehn Sekunden auf dem Brett gestanden. An diesem Wochenende mache ich weiter. Du musst mir erlauben, Imogen mitzunehmen. Wie geht’s ihr übrigens?«
    Â»Gut, glaube ich. Sie ist sehr still, aber es geht ihr gut. Das ist bei Sechzehnjährigen ja schwer zu sagen.« Clare hatte ein gutes Verhältnis zu ihrer Nichte, aber Julie war nicht immer der Meinung, dass sie bei ihr gut aufgehoben war.

    Â»Und was macht Beatrice?« Clare hörte ein wütendes Gebrüll. »Aufs Stichwort.« Sie lachte. Beatrice war vier Jahre alt und wehrte sich hartnäckig gegen jede Art von Kompromissen.
    Â»Lieber Himmel, da hörst du’s«, sagte Julie. »Im Moment will sie nur lila Sachen anziehen, und alle lila Kleidungsstücke sind in der Wäsche. Der arme Marcus versucht, ihr gerade klarzumachen, dass Rosa ihr genauso gut steht wie Lila.«
    Â»Nach dem Krach zu schließen, scheitert er kläglich«, sagte Clare.
    Â»Stimmt leider«, sagte Julie. Sie machte die Küchentür zu, und das Geschrei war nur noch gedämpft wahrzunehmen. »Erzähl mir von deinem neuen Projekt.«
    Â»Dem über Menschenhandel?«, fragte Clare.
    Â»Genau«, sagte Julie. »Hast du inzwischen grünes Licht?«
    Â»Noch nicht. Ich habe ein bisschen Geld für die Recherche bekommen, also mache ich weiter.«
    Â»Sei vorsichtig, Clare«, sagte Julie. »Du könntest in ein Wespennest stechen!«
    Â»Ich bin vorsichtig«, sagte Clare. Es gab einen lauten Knall im Hintergrund, und Beatrice brüllte ihre Mutter an. Das klang nach einem Tobsuchtsanfall. »Julie, ich kann dich kaum hören.«
    Â»Ich habe auch gar nichts gesagt. Ich habe fassungslos geschwiegen.«
    Â»Ich gehe jetzt laufen, Julie. Kann ich dich später anrufen?«
    Â»Ja, ich möchte dich sehen«, sagte Julie. »Ich möchte noch mehr von dir über dieses Projekt erfahren.«

    Die Leitung war tot, ehe Clare sich verabschieden konnte. Clare ging auf ihren Balkon, um sich zu dehnen. Weil es trotz der Sonne kalt war, zog sie ihr Sweatshirt an. Ein Jahrzehnt Laufen hatte sie fit, schlank und geschmeidig gemacht.
    Als es an ihrer Tür aufdringlich klingelte, ging Clare widerwillig hinein. »Ja?«, fragte sie gereizt. Die Gegensprechanlage rauschte. Clare verstand nicht, was gesagt wurde. »Moment«, sagte sie. »Ich bin auf dem Weg nach draußen.« Sie griff nach ihrem Schlüssel und dem Handy, verließ die Wohnung und schloss ab. Mit ein paar Sätzen war sie am Fuß der Treppe, aber vor ihrer Tür stand niemand mehr. Vermutlich war es ein Bettler gewesen. Sie setzte gerade zu einem lockeren Trab an, als sie eine Frauenstimme aus einem Menschenauflauf an der Straßenkreuzung ihren Namen rufen hörte.
    Â»Hierher, Frau Dr. Hart. Hilfe!« Es war Ruby Cohen. Clare wurde es mulmig. Clares Singledasein beleidigte Rubys Ordnungssinn, genau wie ihre Weigerung, sich der Bürgerwehr anzuschließen.
    Â»Morgen, Ruby«, sagte sie. »Was gibt’s?«
    Â»Frau Dr. Hart. Es ist schrecklich. Das arme Mädchen da ist tot.«
    Clare sah den leblosen Körper auf der Promenade liegen. In Kapstadt war eine Leiche nichts Ungewöhnliches. In Hafenstädten wurde immer wieder menschliches Treibgut angespült. Außerdem war es in der letzten Nacht so kalt gewesen, dass ein Stadtstreicher durchaus erfrieren konnte, bevor die Morgensonne kam. Die Menge war
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