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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
Autoren: Ilona Andrews
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Prolog
    G anz gleich, wie sorgfältig ich die Apfelscheiben zurechtdrückte, die obere Kruste des Kuchens sah jedes Mal so aus, als hätte ich versucht, darunter eine zerstückelte Leiche zu begraben. Meine Apfelkuchen waren hässlich, aber sie schmeckten gut. Meine jüngste Kreation kühlte soeben ab.
    Ich sah mir das Festessen in der Küche an. Hirschsteaks, in Bier mariniert und leicht gewürzt, lagen in einer Pfanne bereit. Ich hatte sie mir bis zuletzt aufgespart, weil es höchstens zehn Minuten dauern würde, sie im Ofen zu grillen. Selbstgemachte Brötchen, die inzwischen kalt waren. Maiskolben, ebenfalls kalt. Backkartoffeln, auch schon ziemlich kalt. Ich hatte das Ganze, falls es noch nicht genug war, um ein paar gedünstete Champignons und einen Salat ergänzt. Die Butter auf den Pilzen war dabei, wieder in ihren festen Zustand überzugehen. Wenigstens war der Salat auch dazu gedacht, kalt serviert zu werden.
    Ich nahm einen zerknüllten Zettel vom Tisch. Vor acht Wochen hatte Curran, der Herr der Bestien von Atlanta, der Herrscher über fünfzehnhundert Gestaltwandler und mein persönlicher Psychopath, in der Küche meines Apartments in Atlanta gesessen und auf diesem Zettel einen Speiseplan notiert. Ich hatte eine Wette gegen ihn verloren, und laut den Vereinbarungen schuldete ich ihm ein nackt serviertes Abendessen. Am Ende hatte er hinzugefügt, dass er sich damit begnügen würde, wenn ich nur BH und Höschen trug, da er schließlich keine totale Bestie war – eine Behauptung, über die sich streiten ließ.
    Er hatte ein Datum vorgegeben, den 15. November, und das war heute. Ich wusste es ganz genau, weil ich mich bereits dreimal anhand des Kalenders vergewissert hatte. Ich hatte ihn vor drei Wochen in der Festung angerufen und den Ort und die Uhrzeit vereinbart – in meinem Haus in der Nähe von Savannah um 17 Uhr. Inzwischen war es halb neun.
    Er hatte gesagt, dass er es gar nicht abwarten konnte.
    Ich checkte noch einmal die Mahlzeit. Alles okay. Meine schmeichelhafteste Garnitur aus BH und Höschen. Auch okay. Curran. Fehlanzeige. Ich fuhr mit dem Finger über die blasse Klinge meines Schwerts und spürte das kalte Metall auf der Haut. Wo blieb Ihre Majestät?
    Hatte er kalte Füße bekommen? Mr Du-wirst-mit-mir-schlafen-und-vorher-bitte-und-nachher-danke-sagen.
    Er war einem fliegenden Palast durch einen verzauberten Dschungel hinterhergejagt und hatte sich durch Dutzende von Rakshasa-Dämonen gekämpft, um mich zu retten. Für Gestaltwandler war eine Mahlzeit etwas ganz Besonderes. Nahrung war für sie nichts Selbstverständliches, und wenn man ein Abendessen für jemanden zubereitete, dem man romantische Gefühle entgegenbrachte, wurde aus einer simplen Mahlzeit schnell etwas ganz anderes. Wenn ein Gestaltwandler jemanden bekochte, wollte er der betreffenden Person entweder das Versprechen geben, sich um sie zu kümmern, oder ihr an die Wäsche gehen. Meistens beides. Curran hatte mich mit Suppe gefüttert, als ich halbtot gewesen war, und die Tatsache, dass ich sie gegessen hatte, auch wenn ich gar nicht gewusst hatte, was es bedeutete, hatte ihm maßloses Vergnügen bereitet. Also würde er sich dieses Abendessen auf gar keinen Fall entgehen lassen.
    Irgendetwas musste ihn aufgehalten haben.
    Ich nahm das Telefon in die Hand. Andererseits machte es ihm großen Spaß, mich zu verarschen. Es würde ihm ähnlich sehen, sich draußen im Gebüsch zu verstecken und zu beobachten, wie ich mich wand. Curran behandelte Frauen wie wunderbares Spielzeug: Er bewirtete sie und kümmerte sich um ihre Probleme, und nachdem sie völlig von ihm abhängig geworden waren, langweilten sie ihn nur noch. Vielleicht fand das, was ich zwischen uns beiden wahrgenommen hatte, nur in meinem Kopf statt. Ihm war klar geworden, dass er gewonnen hatte, worauf er das Interesse an mir verloren hatte. Wenn ich ihn jetzt anrief, verschaffte ich ihm dadurch nur die Gelegenheit, sich an meinem Unglück zu weiden.
    Ich legte das Telefon zurück und widmete mich wieder der Betrachtung meines Apfelkuchens.
    Wenn man in einem Wörterbuch unter dem Begriff »Kontrollfreak« nachschlug, bekam man eine perfekte Beschreibung von Currans Charakter. Er herrschte mit stählernen Klauen, und wenn er »Spring!« sagte, würde man es bitter bereuen, wenn man nicht sofort loshüpfte. Er machte mich wütend, und ich trieb ihn zur Weißglut. Selbst wenn er eigentlich gar nicht an mir interessiert war, würde er sich die Chance nicht entgehen
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