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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht
Autoren: Friedrich Ani
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ließ nicht locker.
    Inzwischen war Liz aufgestanden und kam auf Fischer zu.
    »Ich hab dem Jockel nichts eingeredet, du selbstgefälliger Herrgott.« Schell brüllte Nick ins Ohr, und dieser zuckte zusammen. »Ich hab den reden lassen, ich hab nichts getan, was ihn zu einer Aussage gezwungen hätte. Hast du das Gutachten nicht gelesen? Natürlich nicht. Der Gutachter hat von einer hohen Wahrscheinlichkeit gesprochen, dass Jockel die Wahrheit gesagt hat.«
    »Du hast zu Jockel gesagt, du bist nicht mehr sein Freund, wenn er nicht gesteht«, schrie Fischer.
    »Wer behauptet, dass ich so was gesagt hab?«
    »Das steht in den Protokollen.«
    »Bitte setzen Sie sich beide«, sagte Dr. Linhard.
    »Lass mich los«, blaffte Schell seinen Kollegen an, der ihn weiter festhielt. »Du sollst mich loslassen.«
    »Beruhig dich wieder«, sagte Nick.
    Schell machte einen Schritt auf Fischer zu. »Es ging um das verschwundene Mädchen, und jeder von uns wusste, dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr am Leben war. Ein neunjähriges, übermütiges, springlebendiges Mädchen.«
    Und deine Tochter, dachte Fischer und durfte es nicht sagen.
    Er durfte es nicht sagen.
    »Du hast keine Ahnung, P-F.« Schell winkte ab, wandte sich zu den anderen um, ging zum Tisch und schaute wieder zu Fischer. »Du hast keine Kinder, du bist kein Vater, du kennst solche Gefühle nicht. Was red ich überhaupt mit dir? Meine Tochter ist sieben, und wenn sie plötzlich verschwunden wär … Das kannst du dir nicht vorstellen, was dann in mir los wär. Das verstehst du alles nicht. Meine und unsere Ermittlungen waren sauber und klar und sind nicht nur durch das Gutachten bestätigt worden. Ich werf mir nichts vor, niemand wirft mir was vor.«
    »Du hast aus Jockel Krumbholz einen Mörder gemacht.« Allmählich verlor Fischers Stimme an Wucht. »Ist dein Gehirn verdunstet? Hast du gut geschlafen heut Nacht? Ist dir egal, wer verurteilt wird, wenn deine Isabel verschwindet?«
    »Halt meine Tochter da raus«, brüllte Schell und sprang, nachdem er sich gerade erst hingesetzt hatte, wieder von seinem Stuhl auf.
    Gesa Mehling griff nach seinem Arm und ließ nicht los. »Ich will, dass du gehst. Schlaf dich aus, komm wieder zu Verstand, pass auf deine Gesundheit auf.«
    »Ich will, dass du dich bei Jonathan Krumbholz entschuldigst«, sagte Fischer. »Ich will, dass du in die Isar-Amper-Klinik fährst, dich vor ihn hinstellst und dich entschuldigst.«
    Bis auf drei Schritte war Liz auf ihn zugegangen, näher traute sie sich nicht.
    »Träumst du?« Schell schüttelte Gesas Hand ab. »Ich hab meine Arbeit getan, ich hab ermittelt, ich hab eine Beweiskette erstellt, ich hab monatelang Tag und Nacht daran gearbeitet, das Mädchen wiederzufinden.«
    Deine Tochter, dachte Fischer und durfte es nicht sagen.
    Er durfte es nicht sagen.
    »Und ich hab niemand manipuliert. Wenn du das Gutachten gelesen hättst, wüsstest du, dass der Jockel sich nämlichnicht manipulieren lässt, nicht mehr als jeder andere jedenfalls. Ein Depp ist der nämlich nicht. Warum er mir die Geschichte von dem Mord erzählt hat, weiß ich nicht. Das werden wir noch erfahren. Vielleicht auch nicht. Vielleicht ist er einfach überzeugt, ein Mörder zu sein. Ich bin kein Psychologe. Wir werden mit dem Gutachter sprechen, mal hören, was er zur Wendung der Geschichte zu sagen hat. Das interessiert mich auch. Aber ich geh nicht raus und entschuldige mich, bloß weil ich meine Arbeit gemacht hab. Also, erwähn nie wieder den Namen meiner Tochter in so einem Zusammenhang.«
    »Bitte setzen Sie sich«, sagte Dr. Linhard erneut. »Ich muss mit Ihnen allen reden, die Zeit drängt. Bis jetzt kennt außer uns niemand die Ereignisse der letzten Nacht, das ist entscheidend für unser Vorgehen heute Nachmittag bei der Pressekonferenz.« Er sah Fischer, Schell und Liz nacheinander an. »Nehmen Sie bitte Platz.«
    »Nein«, sagte Fischer. Trotz seines sauberen Hemdes, der Hose mit den Bügelfalten und des Jacketts sah er wie in den vergangenen Tagen zerknittert aus, seine Wangen schienen noch hagerer, seine Gesichtsfarbe noch wächserner geworden zu sein.
    »Setz dich zu uns«, sagte Liz leise.
    Eine Minute lang blieb es still im Raum.
    »Du bist ein Versager«, sagte Fischer zu Schell. »Wir haben alle versagt.«
    Dann ging er hinaus.
    Im Treppenhaus setzte er seinen Hut auf, knöpfte den Mantel zu, umklammerte mit einer Hand das Geländer und stützte sich mit der anderen an der Wand ab.
    Draußen, in
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