Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs
Autoren: Colin Greenland
Vom Netzwerk:
PROLOG
     
    »Entweder für die Ehre oder aus der Hoffnung auf Gewinn, oder aus dem unbewußten Drang heraus, aus dem ein großes Volk oder ein großer Mann tun werden, was richtig ist, und es auch im passenden Moment tun, vereinten die, die die Mittel hatten, ein Schiff auszurüsten, und die, die das Talent besaßen, eins zu befehligen, ihre Fähigkeiten und zogen aus, neue Wege zu beschreiten, zu erobern und in Besitz zu nehmen im Namen der Königin der Meere.«
    - JAMES ANTHONY FROUDE:
    ›Englands Vergessene Werte‹
     
    »Und dies wird sein mein Traum heut nacht
    Zu sehen wunderbare Himmelssphären
    Die auf der Bahn des Lichtes schaukeln
    In endloser Glückseligkeit endlose Jahre lang.«
    - EMILY BRONTE:
›Wie Klar Sie Scheint‹
     
    »So viele Welten,
    So viel zu tun
    So wenig getan
    So viele Dinge noch Da sind.«
    - ALFRED LORD TENNYSON:
›In Memoriam A. H. H.‹
     
    Regen. Regen an einem unwirschen, kalten, bewölkten Tag Ende November. Gegen fünfzehn Minuten vor zehn regnet es, trübe und beharrlich, als hätte es den ganzen Morgen geregnet. Es regnet, als hätte es schon immer geregnet, als ob es nie mehr etwas anderes geben würde als Regen.
    Auf göttlichen Ratschluß regnet es, wie die Gnade des Himmels tropft es auf die St.-Pauls-Kathedrale. Die große graue Kuppel des Monuments von Sir Christopher Wren glänzt vor Nässe. Unten in der Stadt regnet es wie aus dem Füllhorn des Himmels, auf die Fiale der Börse, wo Urania mit ausgebreiteten Armen steht, als wolle sie die Nässe auffangen. Wasser tropft von ihren Ellbogen aus Marmor. Von den Turmspitzen der kleineren Kirchen rinnt es, rauscht in kleinen Kaskaden die hohen Fenster von Garlick Hill hinunter, wo die Teleskope müßig in den Himmel schauen. Heute wird es nichts zu sehen geben: keine Sterne, keine Schiffe, obwohl die gesamte Flotte unter vollen Segeln darüber hinwegschweben soll. Nichts als Regen, der dem Menschen selbst das kleinste Vergnügen vergällt und herzlos weiterrinnt, hinunter zu den kleinen, tieferliegenden Straßen, zu den windschiefen Häusern mit den blinzelnden Flügelfenstern. Gleichmäßig strömt er auf die Droschke herab, die plötzlich in Sicht kommt, auf die Bettler, die hinter ihr herspringen, eine Horde von Nichtsnutzen, ein zerlumpter Haufen von Caeruleanern, blau wie Vergißmeinnicht.
    Die Droschke hält an der Ecke. Die außerirdischen Bettler springen auf die Kotflügel und pochen gegen die Tür, kreischen und flehen um Almosen.
    »Verzieht euch!« Der Kutscher flucht mit grollender Stimme auf die ganze Bande – für den Pöbel das Signal, sich unter Stößen und Knüffen noch näher heranzudrängeln. »Ein Hoch auf die Blue Boys!« Sie johlen und pfeifen, zerren mit ihren schmutzigen Fingern höhnisch die Mundwinkel in die Breite.
    Nichts geschieht. Der Schlag der Kutsche öffnet sich nicht. Der Kutscher schultert seine Peitsche und ignoriert das Bettelpack. Er ignoriert alles. Er hockt zusammengesunken in seinem Paletot, weltvergessen, unempfindlich gegen den strömenden Regen.
    Der Regen prasselt auf seinen Hut, sammelt sich in der hochgewölbten Krempe zu einer Pfütze und strömt hinter seinem Rücken auf das Dach der Kutsche. Er ergießt sich über die Hinterhand seines geduldigen Pferdes, tropft von dort, als sei dies ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit, in die Nacken der aufdringlichen Kinder und landet schließlich, wie fast alle Dinge zum Schluß, im Schlamm.
    Unter einen einzelnen Regenschirm geduckt, einen leeren Einkaufskorb zwischen sich, kommen zwei Frauen mit platschenden Schritten um die Ecke. Trotz des trüben Tages, an dem sich nur Hunde und verzweifelte Menschen ins Freie wagen, sind da Mäuler, die gefüttert sein wollen. Die beiden schenken der Kutsche keinerlei Beachtung, obwohl sich eine von ihnen umdreht und dem Gassengesindel wütend ein paar Schimpfworte zuruft.
    Die Frauen sind kaum in den dichten Regenschleiern verschwunden, da öffnet sich schließlich der Kutschschlag, und ein Mann duckt sich durch die Tür. Er wirkt wie ein gewöhnlicher Mensch männlichen Geschlechts in erbsgrünem Mantel, Schal und so weiter – obwohl er ohne Hut ausgestiegen ist und den Kragen gegen das unwirsche Wetter hochgestellt hat. Er holt ein paar Halfpence-Münzen hervor, wirft sie hinter sich auf die Straße und reißt damit die Schar der Bettler auseinander, die sofort hinter den Geldstücken herjagen. Der Mann sieht nicht zu dem stoisch geradeaus blickenden Kutscher auf. Er klopft nur mit den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher