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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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bin mit Ihnen vollkommen einer Meinung! Ihre Argumente sind schlüssig und überzeugend. Doch was meine Behörde betrifft, so bitte ich, sie bei diesbezüglichen Mutmaßungen auszunehmen. Unsere Aufgabe bei der Anreise des Generals Chrapow bestand einzig und allein in der personellen Bereitstellung des Geleitschutzes. Ich habe darum auch keine speziellen Maßnahmen getroffen: Ein halber Zug Kavallerie wurde aufgestellt, das war alles. Und ich kann Ihnen versichern, verehrtester Herr Staatsrat, daß hier im Hause ganze zwei von der Sache im Detail wußten: ich und Oberleutnant Smoljaninow. Ihn als meinen Adjutanten mußte ich natürlich ins Bild setzen. Aber Sie kennen ihn ja, er ist ein besonnener, gewissenhafter junger Mannvon edelster Denkart, so einer treibt kein falsches Spiel. Und an meiner Verschwiegenheit, darf ich hoffen, werden Sie keine Zweifel haben.«
    Fandorin senkte den Kopf und sagte diplomatisch: »Eben d-darum bin ich zuerst hierher gekommen und verheimliche vor Ihnen nichts.«
    »Und ich garantiere Ihnen, da stecken entweder die Petersburger oder die vom Gnesdnikowski dahinter!« sprach der Oberst, die schönen Samtaugen aufreißend. Die vom Gnesdnikowski – damit meinte er die Geheimpolizei, die am Bolschoi Gnesdnikowski Pereulok ihren Sitz hatte. »Über die Petersburger kann ich schlecht urteilen, dafür sind meine Kenntnisse nicht ausreichend, aber unter Oberstleutnant Burljajews Schranzen gibt es einiges Gesindel – ehemalige Nihilisten und andere zwielichtige Gestalten. Dort müßte man nachhaken. Den Oberstleutnant selbst zu beschuldigen fällt mir natürlich nicht ein, Gott bewahre, aber für die geheimen Sicherheitsvorkehrungen ist sein Agentendienst zuständig gewesen, es muß also zumindest eine kleine Instruktion gegeben haben, Auskünfte gegenüber einer nicht geringen Anzahl höchst zweifelhafter Subjekte. Das nenne ich unvorsichtig. Und außerdem …« Swertschinski geriet ins Stocken, so als wüßte er nicht, ob er fortfahren sollte.
    »Außerdem?« fragte Fandorin nach und sah seinem Gegenüber fest in die Augen. »Gibt es noch eine Version, die ich vielleicht übersehen habe? Reden Sie, Herr Oberst, reden Sie. Wir sind hier ganz unter uns.«
    »Es gibt da ja noch die Sorte Geheimagenten, die bei uns unter der Bezeichnung ›Mitarbeiter‹ firmieren. Mitglieder revolutionärer Zirkel, die irgendwann anfangen, mit der Polizei zusammenzuarbeiten.«
    »
Agents provocateurs 1
?« Der Staatsrat runzelte die Stirn.
    »Das nicht unbedingt. Manchmal einfach bloß Informanten. Ohne sie kommt man bei unserer Arbeit nicht weit.«
    »Aber woher sollten eure Spione Einzelheiten über den Empfang unseres geheimen Gastes erfahren haben? Dazu auch noch meine P-p-… Personenbeschreibung?« Fandorin ließ seine Brauen wie schwarze Pfeile aufeinander zuschnellen. »Das leuchtet mir nicht ein.«
    Der Oberst war in sichtlicher Verlegenheit. Er errötete ein wenig, zwirbelte seinen Schnurrbart noch ärger und senkte vertraulich die Stimme: »Es gibt da sehr verschiedene Agenten. Und die Beziehungen, die die verantwortlichen Offiziere zu ihnen pflegen, sind unterschiedlicher Natur. Manchmal ausgesprochen privat, um, nun ja, hm … um nicht zu sagen: intim. Sie verstehen.«
    »Nein!« Fandorin war zusammengezuckt, blickte seinen Gesprächspartner einigermaßen entgeistert an. »Ich verstehe nicht und möchte auch gar nicht verstehen. Wollen Sie damit sagen, Angehörige der Gendarmerie und der Geheimpolizei könnten um der Sache willen s-s-… sodomitische Beziehungen zu Agenten unterhalten?«
    »Wer denkt denn gleich an sodomitische!« raunte Swertschinski und schlug die Hände zusammen. »Unter diesen sogenannten Mitarbeitern gibt es nicht wenige Frauen, die noch dazu meist jung und von anziehendem Äußeren sind. Und es wird Ihnen bekannt sein, welch freizügige Anschauungen die revolutionäre und mit den Revolutionären sympathisierende Jugend von heute in Fragen des Geschlechts vertritt.«
    »Ach so, jaja«, murmelte der Staatsrat und wurde etwas verlegen. »Davon habe ich gehört. Von der Tätigkeit der G-g-…Geheimpolizei habe ich eben nur eine sehr vage Vorstellung. Revolutionäre sind mir auch noch nie untergekommen, ich hatte bisher immer mit Mördern, Hochstaplern und ausländischen Spionen das Vergnügen. Aber mir scheint, Herr Oberst, Sie wollen mein Augenmerk auf einen ganz bestimmten Offizier der Geheimpolizei lenken? Welcher ist es denn? Wer von denen hat Ihrer Meinung nach verdächtige
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