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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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die Teufel.«
    Er stand auf, zog die Uniform straff und ging mit klirrenden Sporen nach nebenan, ins dritte Gelaß dieses Wunders von einem Waggon. Hier war die Möblierung äußerst schlicht: Eine Stuhlreihe längs der Wand, Kleiderhaken und in der Ecke ein kleiner Tisch, darauf Geschirr und der Samowar. Zwei stämmige Männer in identischen Kamelottanzügen (die Schnurrbärte auf gleiche Art hochgezwirbelt, nur daß der eine strohgelb, der andere rotblond war) saßen reglos einander gegenüber. Zwei andere lagen auf zusammengerückten Stühlen und schliefen.
    Beim Eintreten des Weißblonden sprangen die beiden Sitzenden auf, doch der Offizier legte den Finger an die Lippen, zeigte auf den Samowar und sprach im Flüsterton: »Tee für Seine Hohe Exzellenz … Mann, ist das hier stickig. Ich geh Luft schnappen.«
    Draußen auf der Plattform standen zwei Gendarmen mit Karabinern in Habtachtstellung. Hier war nicht geheizt, so daß die Wachleute Mäntel, Mützen und Kapuzen trugen.
    »Noch lange bis zur Ablösung?« fragte der Offizier. Dabei zog er die weißen Handschuhe glatt und spähte auf den langsam vorüberziehenden Bahnsteig hinaus.
    »Eben erst angetreten, Euer Wohlgeboren!« schnarrte der Wachhabende. »Jetzt stehen wir’s durch bis Moskau!«
    »Ah ja.«
    Der Weißblonde drückte die schwere Tür auf; kalter Wind, Ruß und nasser Schnee wehten herein.
    »Schon acht, und kaum ein Lichtstreif«, seufzte der Offizier, ohne damit irgendwen anzusprechen, und stieg hinab auf das Trittbrett.
    Der Zug fuhr noch, die Bremsen knirschten und quietschten, da kamen schon zwei Männer den Bahnsteig entlang auf den Salonwagen zugeeilt: voraus ein kleinerer mit Laterne, dahinter ein großer, schlanker in Zylinder und elegantem weitem Macintosh mit Pelerine.
    »Das hier ist er, der Sonderwagen!« rief der erste (an seiner Mütze als Stationsvorsteher zu erkennen) und wandte sich nach seinem Begleiter um.
    Der blieb stehen und fragte, mit einer Hand den Zylinder festhaltend, den vor ihm in der offenen Waggontür stehenden Offizier:
    »S-sie sind Modsalewski? Adjutant S-s-… Seiner Hohen Exzellenz?«
    Anders als der Eisenbahner hatte der Stotterer nicht gebrüllt; die Stimme war jedoch so klangvoll und gemessen, daß sie mühelos durch den tosenden Sturmwind drang.
    »Nein, ich stehe der Wachmannschaft vor«, erwiderte der Weißblonde, während er überlegte, ob das Gesicht des Stutzers ihm bekannt vorkam.
    Es war allerdings bemerkenswert: strenge, doch feine Züge, das schwarze Schnurrbärtchen akkurat gestutzt, eine entschlossene senkrechte Furche auf der Stirn.
    »Aha, dann also Stabsrottmeister von S-s-… Seydlitz. Angenehm!«sagte der Fremde mit zufriedenem Nicken und säumte nicht, sich seinerseits vorzustellen: »Fandorin, Staatsbeamter im b-b-… besonderen Auftrag Seiner Erlaucht des M-m-… Moskauer Generalgouverneurs. Ich darf annehmen, daß Sie von mir wissen.«
    »Jawohl, Herr Staatsrat, wir erhielten die Geheimdepesche, daß Sie für die Sicherheit des Herrn Generals in Moskau zuständig sind. Ich gedachte Sie allerdings erst auf dem dortigen Bahnhof zu treffen. Steigen Sie ein, steigen Sie ein, die Plattform weht sonst ganz voll Schnee!«
    Der Staatsrat verabschiedete sich vom Stationsvorsteher mit einem Nicken, erklomm behende die steilen Stufen und schlug die Tür hinter sich zu. Augenblicklich wurde es still, Fandorins Stimme hallte. »Sie befinden sich bereits auf dem Territorium des G-g-… Gouvernements Moskau«, erläuterte der Beamte, während er den Zylinder abnahm und den Schnee von der Oberseite schüttelte. Dabei konnte man sehen, daß seine Haare pechschwarz, die Schläfen jedoch, seiner Jugend zum Trotz, vollkommen grau waren. »Hier beginnt s-sozusagen meine Jurisdiktion. Wir werden in K-k-… Klin mindestens z-zwei Stunden Aufenthalt haben, vor uns liegt eine Schneewehe auf den Gleisen, die erst beseitigt werden muß. Genug Zeit, sich zu verständigen und die K-kompetenzen zu klären. Zuvörderst aber muß ich Seiner Hohen Exzellenz meine Aufwartung sowie eine d-d-… dringende Mitteilung machen. Wo kann ich ablegen?«
    »In der Wachstube, wenn ich bitten darf, dort sind Kleiderhaken.«
    Von Seydlitz geleitete den Beamten zunächst in den vorderen Raum, wo die Zivilagenten Dienst taten, und von hier – nachdem Fandorin seinen Macintosh ausgezogen undden durchgeweichten Zylinder auf einen Stuhl geworfen hatte – in den dahinterliegenden.
    »Michele, das ist Staatsrat Fandorin«, erklärte der
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