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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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Studentin Skokowa hat auf den Satrapen geschossen, aber nicht getroffen. Sie wurde gehenkt.
    Ein Genosse unserer Kampfgruppe, dessen Namen geheim zu bleiben hat, wurde von einem Splitter der eigenen Bombe getötet, während Chrapow abermals unversehrt blieb. Sei’s drum, Hohe Exzellenz, der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht. Unsere Kampfgruppe wird Euch auch in Sibirien aufspüren.
    Angenehme Reise!

ERSTES KAPITEL,
    in welchem Fandorin verhaftet wird
    Der Tag war von Anfang an verkorkst. Erast Petrowitsch Fandorin war in aller Herrgottsfrühe aufgestanden, weil er schon um halb neun auf dem Nikolaus-Bahnhof sein mußte. Gemeinsam mit seinem japanischen Kammerdiener hatte er das obligatorische Gymnastikprogramm absolviert, hatte eine Schale grünen Tee getrunken und war beim Rasieren (währenddessen machte er Atemübungen), als das Telefon schellte. Wie sich nun herausstellte, war das frühe Aufstehen für die Katz gewesen: Der Kurierzug aus Sankt Petersburg würde aufgrund von Schneeverwehungen um zwei Stunden verspätet ankommen.
    Da alle notwendigen Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit für den hohen hauptstädtischen Gast bereits am Vortag getroffen worden waren, fiel Fandorin nicht gleich ein, womit er die unerwartete freie Zeit hätte füllen können. Gut, er konnte früher zum Bahnhof fahren, doch das wollte er nicht. Wozu seinen Untergebenen unnötig auf die Nerven fallen? Es bestand kein Zweifel, daß Oberst Swertschinski, amtierender Chef der Gendarmerieverwaltung im Gouvernement, alle Anweisungen genauestens befolgt hatte: Bahnsteig eins, wo der Zug einfahren würde, war von Agenten umstellt, direkt auf dem Bahnsteig wartete eine gepanzerte Kutsche, und der Begleitschutz war auf das sorgfältigste ausgewählt. Eine Viertelstunde früher auf dem Bahnhof zu sein würdevollkommen ausreichen – auch das nur der Ordnung halber und nicht, um allfällige Unterlassungen zu entdecken.
    So verantwortungsvoll die Aufgabe war, die ihm Seine Erlaucht Fürst Dolgorukoi hier übertragen hatte, so unkompliziert war sie auch. Er hatte die prominente Person in Empfang zu nehmen, zum Frühstück beim Fürsten und anschließend zur Erholung in eine peinlich bewachte Residenz auf den Sperlingsbergen zu geleiten, bevor er den frischgebackenen sibirischen Generalgouverneur abends an den Zug nach Tscheljabinsk bringen würde; der Ministerwagen würde selbstverständlich angekoppelt sein. Das war eigentlich alles.
    Die einzig heikle Frage, die Fandorin seit dem gestrigen Tag quälte, war, ob er Generaladjutant Chrapow die Hand schütteln sollte – der sich eine wenn nicht Schandtat, so im mindesten unverzeihliche Dummheit hatte zuschulden kommen lassen.
    Von Amts wegen und im Hinblick auf die Karriere galt es die Gefühle natürlich hintanzustellen, zumal Leute, die es wissen mußten, eine baldige Rückkehr des Ex-Gendarmeriekommandeurs in die Führungsspitzen prophezeiten. Daß Fandorin den Händedruck nicht zu umgehen beschloß, hatte jedoch einen gänzlich anderen Grund: Ein Gast ist ein Gast, den zu kränken einfach nicht anstand. Einen kühlen, betont offiziellen Ton anzuschlagen konnte durchaus genügen.
    Der Entschluß war richtig, ja geradezu unanfechtbar, und dennoch nagten, wie man so schön sagt, an Fandorins Herzen Zweifel: Waren es am Ende nicht doch Karrieregelüste, die den Ausschlag gaben?
    Darum also kam der plötzliche Aufschub Fandorin zupaß – es bot sich noch einmal Gelegenheit, aus dem moralischen Dilemma herauszufinden.
    Fandorin hieß seinen Kammerdiener Masa einen starken Kaffee brauen, machte es sich im Sessel bequem und fing erneut an, alles Für und Wider gegeneinander abzuwägen – wobei er jedesmal, ohne es zu merken, die rechte Hand zur Faust schloß und wieder öffnete.
    Lange zu grübeln blieb ihm indes erspart, denn es schellte erneut, und diesmal an der Tür. Im Flur ertönten Stimmen: zuerst leise, dann laut. Jemand schien ins Kabinett vordringen zu wollen, doch Masa ließ es nicht zu und stieß dabei die gewisse Art Pfeif- und Zischlaute aus, die von der Standhaftigkeit des vormaligen Untertans Seiner Majestät des Kaisers von Japan ebenso kündeten wie von seiner Kampfeslust.
    »Masa, wer ist da?« rief Fandorin und trat aus dem Kabinett ins Empfangszimmer.
    Dort sah er die ungebetenen Gäste: Gendarmerieoberstleutnant Burljajew, Chef der Moskauer Geheimpolizei, mit zwei Herren in karierten Mänteln, augenscheinlich Detektiven, im Gefolge. Masa, die Arme
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