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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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Kontakte?«
    Wohl eine halbe Minute lang verdeutlichte der Oberst unter Zuhilfenahme aller Physiognomie seine inneren Qualen, bis er sich endlich gut sichtbar einen Stoß gab.
    »Herr Staatsrat«, flüsterte er, »es handelt sich hierbei natürlich um eine teils privatime Angelegenheit, jedoch kenne ich Sie als einen Mann von ausgesprochener Diskretion und Toleranz und sehe mich nicht befugt, vor Ihnen etwas zu verheimlichen, was noch dazu von größter Wichtigkeit sein könnte und wovor alle privaten Erwägungen zurückzutreten haben, wie sie ohnehin …« Swertschinski verhedderte sich in der eigenen Grammatik, brach ab und wurde deutlicher: »Ich verfüge über Informationen, denen zufolge Oberstleutnant Burljajew die Bekanntschaft einer gewissen Diana pflegt, was selbstverständlich ein Deckname ist. Eine sehr geheimnisumwitterte Person, die mit den Behörden uneigennützig und aus ideellen Beweggründen zusammenarbeitet, ebendarum aber eigene Bedingungen stellt. Zum Beispiel kennen wir weder ihren wahren Namen noch ihren Wohnort, nur die Adresse eines konspirativen Quartiers, welches das Departement für sie angemietet hat. Allem Anschein nach ist sie von Adel oder zumindest aus sehr gutem Hause. Mit vielen ergiebigen Kontakten zu revolutionären Kreisen in Moskau und Sankt Petersburg. Sie leistet der Polizei in der Tat unschätzbare Dienste …«
    »Sie ist Burljajews Geliebte, und er könnte sich vor ihrverplaudert haben«, unterbrach Fandorin ungeduldig Swertschinskis Ausführungen. »Meinen Sie das?«
    Der Oberst knöpfte sich den Kragen auf, rückte näher.
    »Ich … bin nicht sicher, ob sie seine Geliebte ist, doch ich halte es für möglich. Sogar wahrscheinlich. Und wenn es so wäre, dann könnte es gut sein, daß Burljajew ihr gegenüber ein Wörtchen zuviel hat verlauten lassen. Doppelagenten, noch dazu von diesem Format, sind wenig berechenbar, wissen Sie. Heute kooperieren sie mit uns, morgen überlegen sie es sich anders und …«
    »Gut. Ich werde das in Betracht ziehen.«
    Fandorin hing irgendeinem Gedanken nach, dann wechselte er schroff das Thema.
    »Ich nehme an, Wedischtschew wird Ihnen schon am T-t-… Telefon gesagt haben, daß ich auf Ihre uneingeschränkte Mitarbeit angewiesen bin.«
    Swertschinski legte sich schon wieder die Hand auf das Herz: mit allem, was in meinen Kräften steht, mochte das heißen.
    »Dann hören Sie. Ich bräuchte für meine Ermittlungen einen t-tüchtigen Assistenten, auch als Verbindungsoffizier. Würden Sie mir Ihren Smoljaninow ausborgen?«
     
    Der Staatsrat konnte kaum länger als eine halbe Stunde in der weiß-gelben Villa zugebracht haben, doch als er sie verließ, war die Stadt nicht wiederzuerkennen. Die Winde mußten es leid geworden sein, den Schnee vor sich her durch die krummen Gassen zu wirbeln, so daß er nunmehr in locker zusammengeschobenen Wehen auf den Dächern und auf dem Pflaster lag, während der Himmel, noch vor kurzem dem Anschein nach gar nicht vorhanden, wie von Zauberhand gelichtetwar. Und man sah, daß er mitnichten flach und grieselig, sondern im Gegenteil sehr hoch war, strahlend blau – und gekrönt, wie es sich gehörte, von einem kleinen goldenen Kreis, funkelnd wie ein Goldrubel. Über den Firsten prangten auf einmal, Christbaumkugeln gleich, die Kuppeln der Kirchen, der jungfräuliche Schnee flirrte regenbogenfarben, kurz: Moskau hatte sein Lieblingszauberkunststück vollbracht und sich aus einer Kröte in eine Prinzessin verwandelt. Aber was für eine! Man staunte mit offenem Mund.
    Fandorin schaute, blieb stehen, geradezu geblendet von diesem Strahlen.
    »Ist das eine Pracht!« frohlockte Smoljaninow, genierte sich jedoch im nächsten Moment seines Überschwangs und fügte lässig hinzu: »Metamorphose ist kein Ausdruck dafür … Wohin fahren wir eigentlich, Herr Staatsrat?«
    »Zur Geheimpolizei. Aber das Wetter ist wirklich herrlich. Lassen Sie uns zu F-fuß gehen.«
    Fandorin schickte den Schlitten zurück zum Stall des Generalgouverneurs, und fünf Minuten später schritten der Sonderbeauftragte und sein rotbäckiger Begleiter den Twerskoi Boulevard entlang, wo das Volk, beglückt von so viel unverhoffter Gnade der Natur, schon in hellen Scharen unterwegs war, obwohl die Hausknechte eben erst begonnen hatten, die Alleen vom Schnee zu räumen.
    Ab und zu spürte Fandorin, daß er angeschaut wurde: Die einen blickten erschrocken, andere mitleidig, manche auch einfach bloß neugierig, er begriff nicht gleich, was dies zu
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