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Genom

Genom

Titel: Genom
Autoren: Alan Dean Foster
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    »Lass uns den Toten ausnehmen.« Jiminy sah die frisch gewonnene Leiche mit gerunzelter Stirn an und hüpfte näher.
    Aus der Nähe betrachtet machte der frisch verblichene Meld nicht viel her – aber schließlich war Jiminy Grille ja auch kein besonders guter Dieb, ebenso wenig wie sein gelegentlicher Kumpane Whispr. Nachdem Jiminy den noch immer warmen Beller wieder in sein Hemd gesteckt hatte, beugten sich die beiden Männer über den reglos daliegenden Meld mittleren Alters, der das Pech gehabt hatte, von ihnen als Beute auserkoren zu werden. Whispr war erleichtert, dass der Mann endlich aufgehört hatte zu keuchen. In der trügerischen Ruhe der Gasse in Savannah, in die sie den Körper geschleift hatten, war das lautstarke Luftholen des jetzt Toten zunehmend beunruhigender geworden. Doch inzwischen war es – ebenso wie er – verstummt.
    Jiminy hatte seine Zweifel gehabt, ob der Beller so funktionieren würde wie gedacht. Bei einem zusammengeschusterten Teil wusste man das nie so genau. Er sollte jeden identifizieren, sei er Meld oder Natural, der mit einem Fib, einer Pumpe, einem Anhängsel, einem Schrittmacher, einer Flexprothese oder irgendeiner anderen Abart von künstlichem Herzen oder Herzzubehör herumlief – und dieses Teil mittels Knopfdruck zum Stillstand bringen. Mit einem Beller konnte man sehr unauffällig einen Mord begehen. Für den Bediener sehr viel wichtiger war jedoch, dass das Ganze auch geräuschlos verlief. Nachdem der Kurzstreckenscanner desBellers den Fußgänger in der Menschenmenge, die am späten Abend noch unterwegs war, entdeckt hatte, waren Whispr und Jiminy dem Mann gefolgt, bis sie die Gelegenheit hatten, sein Herz aus der Ferne anzuhalten und die Leiche, die sie daraufhin vor sich hatten, zu durchsuchen.
    Opfer und Täter waren in diesem Fall Melds. Jiminys Beine waren verlängert, modifiziert und mit nanokarbonischen Prothesen verstärkt worden, sodass er Entfernungen mit einem Satz überbrücken konnte, die olympische Weitspringer verblassen ließen. Unglaublich nützlich, um vor Verfolgern zu flüchten. Eher störend, wenn man sich eine stinknormale Hose im Geschäft kaufen wollte. Jeder seiner knochenveredelten, verlängerten Hüftknochen war jetzt doppelt so lang wie der eines Naturals gleicher Größe. Die unglaublich kraftvollen, schnell reagierenden Muskelfasern in den gebundenen Proteinanhängen, die seine Beinknochen umgaben, waren dreimal so dick wie normal, und die dazugehörigen Sehnen hatte man aus synthetischer Spinnenseide angefertigt.
    Diesen Meldbeinen verdankte Jiminy auch seinen Spitznamen, den er eher beiläufig bekommen, dann jedoch beibehalten hatte. Auf den ersten Blick wirkte er wie ein anständiger Kurier, der problemlos von Plattform zu Plattform und Straße zu Gehweg springen und die zahlreichen Kanäle und Wasserwege überqueren konnte, die Old Savannah jetzt durchkreuzten. Tatsächlich ermöglichten sie es ihm jedoch vor allem, auch dem hartnäckigsten Verfolger zu entrinnen. Vom Abend bis in die frühen Morgenstunden ging er seinem wahren Beruf nach und verdiente seine Kohle. Der Kurier im Tageslicht war nur eine Maske, die das Mondlicht immer wieder beseitigte.
    Anders als sein Freund hatte Whispr seinen Meldnamen nicht von anderen erhalten, sondern selbst ausgewählt. Seinoffizieller, behördlich bekundeter Name lautete Archibald Kowalski. Jeder in seiner Familie war groß gewesen – allerdings diente »groß« in seiner Familie als höfliche Umschreibung für »dick«. Und es war übel, als dickes Kind aufzuwachsen. Doppelt übel, wenn man ein dickes armes Kind war. Als Archie dann endlich vor dem Gesetz volljährig wurde und vor der Wahl stand, ein Natural zu bleiben oder seine erste legale Meld durchzuziehen, beschloss er … schlank zu werden. Nicht natürlich schlank, was er mithilfe einer Diät oder sogar schlichter traditioneller Operationen vermutlich geschafft hätte, sondern unnatürlich schlank. Meldschlank.
    Im Vergleich zum Großteil der komplexen Meldoperationen war diese relativ einfach. Ihm wurden einfach die Hälfte des Magens und der Großteil seiner Eingeweide entfernt. Stattdessen erhielt er einen mit einer Treibstoffzelle betriebenen post-verdauungsfördernden NEM (Nährstoffentzieher und -maximierer), der seine Energie aus den belebenden Flüssigkeiten bezog, die er zu sich nahm. Komplettiert wurde das Ganze durch einen kompakten Nahrungsprozessor. All das waren keine speziell angefertigten Komponenten, sondern sie
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