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Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)

Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)

Titel: Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
Autoren: Savannah Russe
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Kapitel 1
    … doch den Flammen
    entstrahlt kein Licht;
    nur sichtbar finstre Nacht.
    John Milton

    E ine Hand wand sich aus dem mit rosafarbener Seide ausgelegten Sarg und schlug auf die Schlummertaste des Weckers. Es war meine Hand. Ich schlief in einem geheimen Raum hinter dem Bücherregal in meiner Wohnung an der Upper West Side. Voller Sarkasmus bezeichne ich den gut versteckten Schlupfwinkel auch als »die Gruft der lebenden Toten«. Es ist ein Ort, an den kein Licht dringt, außer dem der grellroten Ziffern meines Digitalweckers.
    Die Dunkelheit um mich herum spiegelte die Schwärze in meiner Seele wider, die vier Jahrhunderte zuvor durch den blutigen Kuss eines Zigeuneroberhauptes verdammt worden war. Verloren, suchend, wurzellos litt meine Seele seither unendliche Qualen. Ich war ein gefallener Engel, der in Flammen stehend kopfüber aus dem Himmel in die ewige Verdammnis stürzte.
    Ja, ja, schon gut, dachte ich, während ich aus meinem Sarg hinauskletterte und mit nackten Füßen über den Parkettboden tappte. Hör auf mit dem theatralischen Getue. Ich lebte zwar in New York City, was durchaus eine ganz eigene Definition von Hölle bedeuten konnte, aber ich war kein gefallener Engel, weder aufsässig noch sonst was. Schließlich hatte ich in meinem Leben hin und wieder Gutes getan. Unglücklicherweise überwogen jedoch die bösen Dinge. Eine meiner guten Taten war der Beitritt in eine ultrageheime Spionageeinheit. Ein Team, das sich der Terrorbekämpfung widmete und das wahrscheinlich zur CIA gehörte – möglicherweise aber auch nicht. Doch dass ich weiterhin log, stahl, gelegentlich ohne Reue tötete und menschliches Blut trank, machte mich – trotz meiner Bemühung, mich zu bessern – zu einem hoffnungslosen Fall. Es liegt in meiner Natur, böse zu sein. Es entspricht meinem Wesen als »untote Kreatur«, wie einige mich gern nennen. Ich selbst fühle mich jedoch außerordentlich lebendig. Deshalb bevorzuge ich es, als Mitglied der langlebigen, schändlichen und geheimnisvollen Rasse der Vampire bezeichnet zu werden. Vampire werden nicht geboren, sondern erschaffen. Und während viele von uns die Verwandlung als eine Art Wiedergeburt empfinden, bedeutet es für andere die Hölle auf Erden. Wie die Menschen, die wir einmal waren, sind wir weder Dämonen noch Engel, besitzen aber die Veranlagung zu beidem. Auch wir haben das Verlangen nach Leidenschaft und Vergnügungen, denen unser sittliches Ich widersteht, denen unsere dunkle Seite jedoch ohne Rücksicht auf Regeln oder Moral verfallen ist. In den Jahrhunderten seit meiner Geburt im Jahre 1590 habe ich gelernt, mein erotisches Begehren zu kontrollieren oder es in andere Bahnen zu lenken. Wenn es mir gelingt, wird mein Herz zwar wie ein Fels vom reißenden Fluss umspült, aber nicht herausgerissen und fortgetragen. Manchmal passiert mir allerdings auch der eine oder andere Fehltritt, der dann meist einen tödlichen Ausgang nimmt.
    Mein »Tag« begann, als die Sonne gerade hinter dem Horizont versank. Ich hatte einen Schlaf voller Alpträume hinter mir und fühlte mich ein wenig gereizt. Ich hätte lieber noch weitergedöst, aber am Tag zuvor hatte mich eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter aufgefordert, heute Abend zum Flatiron-Gebäude zu kommen. Dort würde sich das Team Dark Wing zum ersten Mal seit der Nachbesprechung unseres letzten Auftrags treffen. Aus der Woche, die wir eigentlich freibekommen sollten, waren nun lediglich ein paar Tage geworden. Und aufgrund dessen, was während des letzten Auftrags geschehen war, überraschte mich meine schlechte Laune keineswegs. Wenn ich nicht gerade mit dem Gedanken spielte, aus dem Team auszusteigen, musste ich mit mir kämpfen, gewissen Leuten nicht in den Hintern zu treten.
    Wozu ich auch allen Grund habe, dachte ich, während ich zu dem Hebel trottete, dessen Betätigung das falsche Bücherregal zur Seite schwingen ließ. So wurde der Weg in die menschliche Welt freigegeben – in mein Apartment in Manhattan. Die Fünf-Zimmer-Wohnung in dem riesigen Gebäude, das noch vor dem Zweiten Weltkrieg erbaut worden war, sah aus wie jede andere Wohnung in der Umgebung: hohe Decken und Fenster, uralte Heizkörper, die knallten und zischten, und ein Badezimmer mit sechseckigen weißen Fliesen, einer altmodischen Wanne auf Krallenfüßen und einer notdürftig zusammengebastelten Dusche. Eine beiläufige Begutachtung meiner Wohnung hätte nicht den leisesten Verdacht erregt, dass hier ein Monster lebte –
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