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Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever
Autoren: W Pohrt
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Der Aufbruch ist ein Zusammenbruch
    Die Finanzkrise hat Folgen. Steht der Sozialismus vor der Tür? Kommt er doch noch? Konservative laufen zu den Linken über, die angeblich alles schon längst gewusst haben. In der Zeit wird nach »Alternativen zum Kapitalismus« gesucht. Im FAZ -Feuilleton darf die eiserne Lady der Linkspartei gegen ungebremste neoliberale Politik wettern, welche Geldvernichtung betreibe und den Mittelstand ruiniere .
    Sahra Wagenknecht also, die immer so aussieht, als käme sie frisch aus der Maske für einen Historienfilm im Zweiten. Auf echt geschminkt spielt die Rosa-Luxemburg-Doublette Kapitalschützerin und sorgt sich im Großkapitalistenblatt um den Mittelstand. So lustig war Volksfront noch nie.
    In der Gesinnungsbranche geht es zu wie auf der Swinger-Party, Sodom und Gomorrha. Haben die alle gekokst? Jeder umarmt jeden, die Wagenknecht den Lafontaine, der Schirrmacher die Wagenknecht, den wiederum der Lafontaine usw. Ist das ein Remake von Lubitschs alter Stummfilmkommödie Ehe im Kreis ?
    Aber es kommt noch besser. Neuerdings werden wieder »Kapital«-Schulungskurse angeboten, wie in längst vergangenen Zeiten.
    Das spricht für sich. Marxismus ist Schlafmittel, Beruhigungspille und Beschäftigungstherapie. Wir beobachten ihn immer dann, wenn die Leute lieber noch mal ein ganz dickes Buch lesen und danach gleich noch eins. Alles, bloß kein Krawall. Niemand wird enteignet. Die nächsten fünfzig Jahre ändert sich nichts, jedenfalls nichts von Bedeutung. Das ist die frohe Botschaft, die wir eintüten dürfen.
    Occupy zum Beispiel: Die Sommercamps mitten in der City hat man sich abgeguckt von Gaddafi, der früher mit seinem Wanderzirkus durch die Hauptstädte getingelt ist und immer nur im mitgeführten Zelt geschlafen hat. Auch Gaddafi hatte übrigens unter der Zwangsidee gelitten, ein drittes System neben Kapitalismus und Kommunismus erdacht zu haben und es per »Grüner Revolution« realisieren zu müssen.
    Bei Occupy ist es zwar keine One-Man-Show mehr, sondern es sind Massen, immerhin. Aber dafür sind die Massen anderswo nicht mehr. Um den Event-Tourismus zu den G8-Gipfeln ist es still geworden, oder haben diese Gipfel aufgehört? Also nichts Neues unter der Sonne.
    Ich weiß, viele sehen das ganz anders. Sie glauben an den Slogan von der Welt im Wandel. Wenn ihre eigene soziale Lage sich ändert, dann meinen sie, es verändere sich die Welt, für deren Zentralgestirn sie sich offensichtlich halten. Sie gleichen Himmelsbetrachtern vor der kopernikanischen Wen­de. Ihr egozentrisches Weltbild täuscht ihnen tausend Weltuntergänge vor, von der Rente mit siebzig über die Niedriglohnjobs bis zum Verfall des Euro. Sie sehen sich selbst im Strudel rasanter Veränderungen, die aus ihrer Perspektive immer Veränderungen zum Schlechten sind. Dass es Menschen anderswo dafür besser geht, übersehen sie.
    Oft fordern sie, das Alte zu bewahren, weil alles Neue nur eine Verschlechterung sei. Aber das war schon immer der Lebenstraum alter Männer. Auch insofern hat sich nichts verändert. In einem Zitat, das Ambler seinem Roman »Mit der Zeit« vorangestellt hat, heißt es: »Unsere älteren Männer haben Angst davor, dass sich die Hand der Zeit all dessen bemächtigt, woran sie geglaubt haben.« Man kommt eben in die Jahre, wo eine »flüchtige Ahnung des Scheiterns wie eine Vision des Todes selbst« erscheint.
    Das Alte bewahren – der Bundespräsident hat das in seiner Weihnachtsansprache gefordert, er hat gesagt, dass Europa ein wertvolles Erbe sei, das erhalten werden müsse. Vor dem Bundespräsidenten hat es schon Papst Benedikt auf seiner Deutschland-Tournee gesagt. So klingt das, wenn sie aus dem letzten Loch pfeifen.
    Jeder will ein Etwas erhalten, aus welchen notwendig doch wieder genau das hervorgehen muss, was er für eine schädliche Veränderung hält. Das Alte bewahren heißt, die Bedingungen konservieren zu wollen, unter denen sich alles das entwickelt hat, was heute abgelehnt wird. Wie wenn man dem Huhn sagt »Werde wieder ein Küken!« und dem Küken »Werde wieder ein Ei!« Selbst wenn es funktionieren würde, wäre nichts gewonnen, weil aus dem Ei ja wieder ein Küken wird und aus dem Küken ein Huhn usw.
    Der Papst etwa würde die Kirche gern in den Zustand zurückversetzen, worin sie sich im Jahr 900 nach Christus befunden hatte. Dabei trug sie doch schon damals den Keim dessen in sich, was heute aus ihr geworden ist. Kommunisten wiederum denken voller Wehmut an die alte
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