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Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever
Autoren: W Pohrt
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Siedlungszen­trum der Ober- oder Mittelschicht bezeichnet, welches durch Sicherheitseinrichtungen und Ab­sperrungen – wie Alarmanlagen, Mauern, Zäune, Kameraüberwachung, privates Sicherheitspersonal – von der übrigen Gesellschaft separiert ist.
    Die Größe von Gated Communitys variiert von einzelnen bewachten Appartementblöcken bis hin zu großflächigen Siedlungen (mit über 100.000 Einwohnern) mit eigener Infrastruktur (Einkaufsmöglichkeiten, Gemeinschaftseinrichtungen, eigene Schulen und Krankenhäuser – sogar eigene Bürozentren und Arbeitsstätten).
    Diese Anlagen ähneln dabei den klassischen Ghettos in der Art, dass eine Segregation, in erster Linie auf Basis des sozialen Standes und möglicher Unterschiede in Kultur, Hautfarbe, Religion oder Abstammung, geschieht. Aber auch andere Gleichgesinnte oder aus ähnlichen Schichten, Kulturen oder Ethnien stammende Menschen schließen sich als Gegentrend zur so genannten Globalisierung vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika vermehrt zu derartigen Wohnformen zusammen.
    Diese Sonderform eines Gettos ist jedoch nur selten historisch gewachsen, sondern wird fast ausschließlich außerhalb bereits bestehender Städte neu errichtet. Die Ursprünge der modernen Gated Communitys sind in den USA zu suchen – ein frühes Beispiel hierfür ist Llewellyn Park in New Jersey (1857). Gated Communitys sind darüber hinaus vor allem in Ländern mit erheblichen sozialen Ungleichgewichten vorzufinden, etwa in Südafrika, Brasilien, Argentinien oder anderen ehemaligen Kolonialstaaten. Auch in Südostasien und Europa sind solche oder ähnliche Formen abgeschotteter und speziell gesicherter Wohnanlagen bereits vorhanden.
    Die erste Wohnanlage dieser Art in Deutschland ist die Arcadia-Wohnanlage in Potsdam (45 Wohnungen in sieben Villen nahe der Glienicker Brücke; EH Estate Management). Seit Anfang 2009 befindet sich in Leipzig die Central Park Residence im Bau. Von diesen Beispielen abgesehen finden sich in Deutschland nur sehr wenige solcher Anlagen.«
    In diesen Gated Communities lebt man aber auch nicht sicher, weil das Wachpersonal regelmäßig von Kidnappern bestochen oder zur Kooperation mit ihnen erpresst wird, wenn es sich dabei nicht sogar um eingeschleuste Bandenmitglieder handelt. In Deutschland ist das noch anders. Man sieht: Auch vom Sozialstaat profitieren wieder mal die Reichen.
    Gated Communities waren auch in Ägypten der große Trend der vergangenen Jahre gewesen. Die Wohlhabenden und die Mächtigen sind aus Kairo weggezogen, sie wohnen in separaten und bewachten Siedlungen, die ins Umland, d.h. mitten in die Wüste hinein gebaut worden sind. Wie wenn ein Instinkt sie davor gewarnt hätte, dass es in der City Randale geben würde.
    Egal welcher Konfession, die Menschen werden weltweit beherrscht von der Idee europäischer Siedler, vom American Dream. The Persuit of Happiness, das Streben nach privatem Glück, das man im privaten Reichtum findet, ist ein Essential der amerikanischen Verfassung. Getreu dieser Lizenz handeln die Kleindealer, die unter Lebensgefahr den Stoff über die amerikanisch-mexikanische Grenze schmuggeln. Sie machen die Junkies glücklich, und sie werden selbst glücklich dabei, freilich nur ein ganz kleines Bisschen.
    Der auf die Erde heruntergeholte Himmel – eine Villa mit Swimmingpool und dicke Autos in der Garage – ist für die meisten Menschen unerreichbar. Er ist ferner als das Paradies, das im Prinzip jedem Gläubigen offensteht. Wer es im Diesseits nicht schafft, hat verloren, eine zweite Chance im Jenseits, wie die Religionen sie versprechen, gibt es nicht. Sogar die Liegezeiten auf den Friedhöfen sind befristet, die ewige Ruhe umfasst zwanzig Jahre. Das macht aus Verlierern nicht Revolutionäre, sondern demoralisierte Nihilisten.
    Die Riots in Paris und London sind nur eine Seite davon, die andere zeigt sich in Ungarn, wieder einem erzkatholischen Land. Dort müsste die Bevölkerung eigentlich für ihre demokratischen Freiheitsrechte und die westlichen Werte und was es sonst noch Schönes gibt kämpfen. Sie müsste gegen Orbans Führerdiktatur und seinen Einparteienstaat wenigstens protestieren. Sie tut es nicht. Vermutlich weil sie sich fragt: Wozu?
    Der amerikanische Traum, den europäische Landbesetzer angesichts ihrer waffentechnischen und organisatorischen Überlegenheit über die vorgefundene Bevölkerung zu träumen begannen, entpuppt sich als Alptraum. Aber das war der Kapitalismus schon immer und
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