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Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever
Autoren: W Pohrt
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im Grab, weil er vor beinahe 100 Jahren einen ruhmlosen Tod gestorben ist. Seine eigenen Anhänger, nicht der Klassenfeind, haben ihn erledigt.
    1914 nämlich, bei Kriegsausbruch. In den Jahren davor hatten die Proleten die »Internationale« gesungen: »Völker hört die Signale, auf zum letzten Gefecht.« Konsequenterweise haben sie sich dann mit Hurra-Gebrüll ins Gefecht gestürzt, das für viele von ihnen, wie versprochen, tatsächlich das letzte werden sollte.
    Freilich nicht, um gemeinsam die Herrschaft des Kapitals niederzureißen, sondern um einander die Schädel einzuschlagen. Statt daheim die Regierungssitze und Polizeikasernen zu stürmen, hatten die Proleten die internationale Begegnung auf den Schlachtfeldern gesucht.
    Die nationalistische Agitation der damaligen deutschen Sozialdemokratie, ihre Unterstützung der Aufrüstung und die folgerichtige Bewilligung der Kriegskredite sind aktenkundig. Aber das interessiert mich nicht. Ich rede von den Proleten, vom Proletariat. Klar war in der SPD ein Haufen chauvinistischer Dummköpfe und Halunken an der Macht. Aber das waren sie nur, weil solche chauvinistischen Dummköpfe und Halunken der Basis am besten gefallen haben.
    Zum Führer wird man, indem man sich dem Geschmack der Massen unterwirft oder ihn teilt. Diese ewigen Ausreden, der Sozialismus sei nur deshalb schiefgegangen, weil unglücklicherweise immer irgendwelche verkommenen Subjekte an die Spitze kamen, sind öde.
    Ich will die Einzelheiten, die Winkelzüge und die Hintertreppengeschichten gar nicht wissen, mich interessiert allein das Resultat.
    Und das Resultat 1914 war, dass Proleten, die jahrzehntelang die »Internationale« gesungen und dabei viel gefühlt hatten, im entscheidenden Moment ihre Waffen nicht gegen den Klassenfeind erhoben haben, sondern sie haben im Kampf für ihren angeblichen Klassenfeind, für denselben, gegen den sie jahrzehntelang auf Kund­gebungen und im Wirtshaus gewettert hatten, andere Proleten zu Millionen umgebracht. Was soll man von solchen Schwätzern halten?
    Damit war klar, was Proleten unter Solidarität verstehen, und damit war der Sozialismus erledigt. Von solchen katastrophalen Pleiten, wie 1914 eine war, erholt sich keiner mehr.
    Die Oktoberrevolution hat gleich noch einmal bewiesen, dass Sozialismus auf dieser Welt unmöglich ist, weil »Sozialismus in einem Land« nicht funktionieren kann, und die sozialistische Weltrevolution ungefähr so wahrscheinlich ist wie ein Weiterleben nach dem Tode im Himmel.
    Die Sowjetunion ist inzwischen Geschichte. Aber eine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: Gut, dass Hitler damals die SU angegriffen hat. Stellen wir uns mal vor, er wäre nicht so größenwahnsinnig und dumm gewesen: Dann hätten er und Stalin ihr Bündnis wohl ausgebaut und vertieft. Die Union der sozialistischen Sow­jet­republiken hätte von den deutschen National sozialisten viel lernen können und umgekehrt. Und an der Mixtur, die dabei herausgekommen wäre, hätte die Welt ganz schön zu kauen gehabt.
    Das ist kein Antikommunismus, ich habe es nur satt, irgendwie alles irgendwie gut finden zu müssen, was irgendwie sozialistisch oder links aussieht. Ich habe mich immer selbst überreden und zwingen müssen, irgendwelche linken Regime, wenn sie am Ruder waren, gut zu finden.
    Und ich habe immer Krücken dazu gebraucht: In Anbetracht der Umstände … und wenn man sie mit den Rechten vergleicht, die noch viel schlimmer sind … Ich habe keine Lust mehr aufs kleinere Übel. Von der Linkspartei bis zu Chavez – ich mag sie alle nicht.
    Ein Trinker hat bekanntlich tausend Ausreden dafür, warum er sich besäuft: Weil er traurig ist, weil er fröhlich ist, wegen der Langeweile, wegen dem Stress etc. Tatsächlich trinkt er, weil er halt ein Säufer ist.
    Beim Menschen ganz allgemein und speziell beim linken Menschen ist es auch so: Tausend Ausreden. Der Kapitalismus ist schuld, der Islam, der Feudalismus, das Christentum, der Faschismus, der Antisemitismus, die CDU, der Rassismus, die Springer-Presse, der Autoritarismus, der Nationalismus, der Fanatismus und so weiter. Ich glaube, diese vielen Ausreden fangen allmählich an, mich zu langweilen.
    Das ist nicht Resignation, sondern Realismus. Um 1966 herum habe ich Franz Fanons »Die Verdammten dieser Erde« verschlungen, und Sartres grandioses Vorwort dazu, fast noch besser als das Buch. Ich zitiere aus dem Gedächtnis: »Wenn ein Unterdrückter seinen Unterdrücker tötet, entstehen zwei Menschen: Ein
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