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Kapitalismus Forever

Kapitalismus Forever

Titel: Kapitalismus Forever
Autoren: W Pohrt
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Gottesstaat.
    Oder die Intifada in Jerusalem und in der Westbank: Man erkennt sie wieder, die gleichen Jungs, nur anders kostümiert, die in Paris und London die Stadt aufgemischt haben. Verwahrloste Jugendliche, für die es keine Autorität, Führung und Unterstützung durch die Familie mehr gibt. Wie in den amerikanischen Slums.
    Beispiel Irak: Die ersten Unternehmen, die sich etablierten, waren Porno-Kinos, eine Goldgrube für die Betreiber. Der Andrang war gewaltig. Erst danach kam der Mobilfunk.
    Ich schließe aus diesem Informationenmix, dass der Islam exakt so faul und morsch wie das Christentum im Westen ist. Bei allen Konflikten in Nahost geht es ja in Wahrheit auch gar nicht um Religion, sondern um Politik und darum, wer an den Schaltstellen sitzen darf und wer das größere Stück vom Kuchen bekommt. Über Religionsfragen könnten Sunniten und Schiiten sich wohl einigen, nicht aber darüber, wer den Präsidenten stellen und den Reichtum absahnen darf. An diesem Punkt hört die Toleranz auf. In solchen Konflikten ist die Konfession ein Vorwand unter vielen. In Kenia liefen die Fronten entlang der Stammesgrenzen.
    Die Einheit des Islams ist eine Projektion des Westens, die freilich auf die Moslems nicht ohne Wirkung bleibt. Sie fangen an, sich selbst so zu sehen, wie sie wahrgenommen werden. Das ist der übliche Mechanismus.
    Fundamentalismus ist immer ein Krisensymp­tom, egal ob in den USA, in Nahost oder hier. Oder in Israel, muss man aus aktuellem Anlass dazusagen. Immerhin sehen die Israelis Anlass, gegen jüdische Religionsfanatiker zu demonstrieren. Wenn Gesellschaften in einer tiefen Krise stecken, werden sie unberechenbar, und die Außenpolitik hat immer innenpolitische Gründe. Ganz einfach: Der Iran braucht Atomwaffen, weil die Gesellschaft zerfällt, der Islam sie nicht mehr kitten kann und der Staat das Drogenproblem bei Jugendlichen nicht in den Griff kriegt. Weiß der Teufel, was daraus wird. Sicher ist nur: Mit dem Koran hat das nichts zu tun.
    Der Islam kommt mir vor wie eine abbruchreife Ruine, aber einsturzbedrohte Altbauten können lebensgefährlich sein. Richtig mörderisch ist ja auch das Christentum erst mit seinem beginnenden Zerfall geworden, d.h. als sich erste Zweifel an der Glaubenslehre zu regen begannen. Um Ketzer verbrennen können, braucht man welche, und um sie zu finden, braucht man den Ketzer in der eigenen Brust: Ich entdecke nur Ungläubige, wenn ich mir so was wie Unglauben überhaupt vorstellen kann. Das konnten die Menschen im frühen Mittelalter zum Beispiel nicht. Folglich hielt sich die Aggressivität des Christentums damals in Grenzen, richtig biestig wurde es erst später.
    Eine Religion fängt man sich so leicht ein wie einen Schnupfen, aber es ist verdammt schwer, sie wieder los zu werden. Wenn alles schon gelaufen scheint, erweist sich der Restmüll als entsorgungsresistent, er wird entgelagert. Zwar sind bei uns die Gläubigen und Kirchen so was wie die Zehn kleinen Negerlein im Abzählreim, aber es geht langsam voran, und für den Vatikan, diese strahlende Ruine, ist ein Ende der Halbwertzeit noch gar nicht abzusehen. Und solange besteht immer Gefahr, dass es im Schrotthaufen zu einer unkontrollierten Kettenreaktion kommt, wie in Fukushima. Was man manchmal von christlichen Fundamentalisten in Amerika hört, gibt schon Anlass zur Sorge, ob die Notkühlsysteme noch funktionieren. Harrisburg scheint ja dicht zu sein, ob das auch für den christlichen Fundamentalismus gilt, weiß man nicht. Angst davor haben sie jedenfalls alle.
    Man nenne mir einen einzigen deutschen Politiker, der vor laufender Kamera sagt: »Christentum? Religion? Dieser alberne Hokuspokus interessiert mich nicht.« Man nenne mir einen einzigen, der, wenn es hart auf hart kommt, nicht den Gläubigen macht. Und warum heuchelt er? Weil er Angst hat. Klar, gesteinigt wird er deshalb nicht. Aber seinen Job kann er vergessen. Er muss dann ins Kabarett oder ins Feuilleton wechseln, die Hofnarren dürfen plappern.
    Es ist viel Projektion und überhaupt Psychopathologie im Spiel, bei dieser geschürten Angst vor dem Islam, und das Interessengestrüpp ist fast unentwirrbar. Die Kirchen zum Beispiel konkurrieren zwar gegeneinander, aber alle zusammen verhalten sich wiederum wie ein Branchenverband. Wenn hier Moscheen gebaut werden sollen, unterstützen die christlichen Kirchen das Vorhaben. Es geht um Markterweiterung. Hauptsache, die Leute sind Kirchenkunden. Dann ist es nur noch eine Frage der
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