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Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab

Titel: Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Autoren: Peter Robinson
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* 1
     
    »Mami! Mami! Komm her!«
      Rosalind strich die Mischung aus Pilzen, Olivenöl, Knoblauch und Petersilie zwischen Haut und Fleisch des Hühnchens, wie sie es vor kurzem in einem französischen Kochkurs gelernt hatte. »Mami kann jetzt nicht«, rief sie. »Sie hat zu tun.«
      »Aber Mami! Du musst kommen! Da ist unsere Püppi.«
      Woher hat er nur diese ordinären Ausdrücke, fragte sich Rosalind. Jedes Jahr gaben sie ein kleines Vermögen für die beste Schule in Yorkshire aus, und trotzdem klang er wie ein vulgärer Bauernlümmel. Vielleicht würde sich das bessern, wenn sie wieder nach Südengland zogen. »Benjamin«, rief sie. »Ich hab's dir doch gesagt. Mami hat zu tun. Daddy gibt heute Abend ein wichtiges Essen, und Mami muss es vorbereiten.«
      Das Kochen machte Rosalind nichts aus - sie hatte sogar mehrere Kochkurse besucht und Spaß daran gehabt -, aber in diesem Moment wünschte sie, sie hätte sagen können, die »Köchin« bereite das Essen vor und Mami sei damit beschäftigt, ihre Abendgarderobe auszuwählen. Aber sie hatte keine Köchin, nur einmal pro Woche eine Putzfrau. Sie hätten es sich zwar leisten können, doch solche Extravaganzen erlaubte ihr Mann nicht. Ehrlich, dachte Rosalind manchmal, man könnte meinen, er sei in Yorkshire geboren, statt hier nur zu leben.
      »Aber sie ist es!« beharrte Benjamin. »Unsere Püppi. Sie hat nichts an.«
      Rosalind runzelte die Stirn und legte das Messer beiseite. Wovon redete er bloß? Benjamin war erst acht, und sie wusste aus Erfahrung, dass er eine blühende Fantasie hatte. Sie machte sich sogar Sorgen, dass ihn das später mal behindern könnte. Menschen mit zu viel Einbildungskraft, fand sie, neigen zu Untätigkeit und Tagträumen und kommen mit profitableren Aktivitäten nicht voran.
      »Mami, beeil dich!«
      Rosalind verspürte plötzlich leise Besorgnis, als änderte sich etwas in ihrem Universum für immer. Sie schüttelte das Gefühl ab, wischte sich die ölige Füllung von den Fingern, trank rasch einen Schluck Gin-Tonic und ging ins Arbeitszimmer, wo Benjamin am Computer gespielt hatte. Auf dem Weg hörte sie, wie sich die Haustür öffnete und ihr Mann verkündete, er sei wieder da. Früh. Sie runzelte die Stirn. Spionierte er ihr nach?
      Aber erst mal wollte sie sehen, wovon Benjamin da eigentlich sprach.
      »Siehst du«, sagte der Junge, als sie das Zimmer betrat. »Unsere Püppi.« Er deutete auf den Bildschirm.
      »Red nicht so«, sagte Rosalind. »Ich hab's dir schon öfter gesagt. Das ist ordinär.«
      Dann sah sie hin. Zuerst war sie nur schockiert, das Bild einer nackten Frau auf dem Bildschirm zu sehen. Wie war Benjamin nur auf diese Website gestoßen? Er begriff ja nicht mal, was er da gefunden hatte.
      Als sie sich dann über seine Schulter beugte und genauer hinschaute, schnappte sie nach Luft. Er hatte Recht. Was sie da sah, war ein Bild ihrer Tochter Emily, nackt wie am Tag ihrer Geburt, aber mit erheblich mehr Kurven, einer Tätowierung und einem Büschel blonder Schamhaare zwischen den Beinen. Das war ihre Emily, da gab es keinen Zweifel; das tränenförmige Muttermal auf der Innenseite ihres rechten Oberschenkels war der Beweis.
      Rosalind fuhr sich durch die Haare. Was sollte das alles? Was war hier los? Rasch warf sie einen Blick auf die URL oben am Bildschirm. Rosalind hatte ein fotografisches Gedächtnis, würde die Webadresse also nicht vergessen.
      »Siehst du«, sagte Benjamin. »Das ist unsere Püppi. Aber warum hat sie nichts an, Mami?«
      Da geriet Rosalind in Panik. Mein Gott, er durfte das nicht sehen. Emilys Vater. Er durfte das auf keinen Fall sehen. Es würde ihn zerstören. Schnell griff sie nach der Maus, aber bevor ihre Finger die Seite wegklicken konnten, verriet ihr die tiefe Stimme hinter ihr, dass es zu spät war.
      »Was ist denn?«, fragte er milde, legte die Hand väterlich auf die Schulter seines Sohnes.
      Gleich darauf hörte Rosalind ihn scharf einatmen und wusste, dass er die Antwort bekommen hatte.
      Seine Hand verkrampfte sich, und Benjamin zuckte zusammen. »Du tust mir weh, Daddy.«
      Aber Chief Constable Jeremiah Riddle achtete nicht auf den Schmerz seines Sohnes. »Mein Gott!«, japste er und zeigte auf den Bildschirm. »Sehe ich das richtig? Ist sie das wirklich?«
     
    Detective Chief Inspector Alan Banks stand über seine Reisetasche gebeugt und überlegte, ob er die Lederjacke oder die Windjacke mitnehmen sollte. Beide
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