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Tote im Salonwagen

Tote im Salonwagen

Titel: Tote im Salonwagen
Autoren: B Akunin
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glatte Stirn des Staatsrats furchte sich, seine Hand fuhr wie von selbst in die Tasche und zog die Perlenschnur aus Jade hervor, die ihm half, wenn es galt, die Gedanken beisammen zu halten. Dolgorukoi und Wedischtschew, denen Fandorins Gepflogenheiten nicht neu waren, spitzten atemlos die Ohren; in beide Greisengesichter trat ein Ausdruck, wie man ihn von Kindern im Zirkus kennt, die genau wissen, daß der Zylinder in der Hand des Zauberers leer ist, und die dennoch nicht daran zweifeln, daß der fingerfertige Mann im nächsten Moment ein Täubchen oder Kaninchen daraus hervorziehen wird. Und da war es auch schon.
    »Darf man fragen, wieso dem Täter die Sache so glatt von der Hand ging?« hob Fandorin an und hielt einen Moment inne, als erwartete er tatsächlich eine Antwort auf seine Frage. »Doch wohl nur deshalb, weil er bis ins kleinste unterrichtet war – über Dinge, die eigentlich nur sehr wenige hätten wissen dürfen, Punkt eins. Die Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit von G-generaladjutant Chrapow auf seiner Durchreise durch das Gouvernement Moskau sind frühestens vorgestern bestimmt worden, und dies in Gegenwarteines sehr begrenzten Personenkreises, Punkt zwo. Irgendwer aus diesem Kreis, der in die Einzelheiten der Planung eingeweiht war, hat den Revolutionären diesen Plan gesteckt – absichtlich oder unabsichtlich, Punkt drei. Es genügt, diesen Mann aufzutreiben, um über ihn der Kampfgruppe und ihrem Vollstrecker auf die Schliche zu kommen.«
    »Was soll das heißen, unabsichtlich?« fragte der Generalgouverneur mit gerunzelter Stirn. »Absichtlich, das kann ich nachvollziehen. Auch im Staatsdienst gibt es falsche Hunde! Der eine offenbart sich den Nihilisten für Geld, der andere, weil er sich von den Dämonen hat anstiften lassen. Aber unabsichtlich, wie soll das gehen? Doch nicht im Schlaf?«
    »Nein, eher aus Nachlässigkeit«, erwiderte Fandorin. »In der Mehrzahl der F-fälle verplaudert sich eine Amtsperson gegenüber ihren Angehörigen, von denen wiederum jemand Verbindung zu den Terroristen hat. Das kann der Sohn sein, die Tochter, die Geliebte. Was unsere Kette lediglich um ein Glied verlängert.«
    »Aha.« Der Fürst langte schon wieder nach dem Schnupftabak. »An der Geheimsitzung vorgestern, auf der es um die Durchreise von Chrapow ging, die Erde sei dem armen Sünder leicht, da haben außer mir und Ihnen nur Swertschinski und Burljajew teilgenommen. Nicht einmal die Polizei haben wir hinzugezogen, auf Anweisung aus Petersburg. Wollen wir also jetzt die Herren Vorgesetzten von der Gendarmerieverwaltung und der Geheimpolizei verdächtigen? Das wird ja immer schöner. Ha… ha… haptschi!«
    »Gesundheit und ein langes Leben!« warf Wedischtschew ein und machte sich erneut daran, Seiner Erlaucht die Nase zu putzen.
    »Die auch!« verkündete Fandorin ohne Umschweife.»Und außerdem gilt es festzustellen, wer noch von den Offizieren der Gendarmerie und der Geheimpolizei von irgendwelchen Details K-k-… Kenntnis hatte. Ich denke, das können höchstens drei, vier Leute gewesen sein.«
    »Ja Gottchen, wenn es so ist«, ächzte Frol, »das machen Sie doch spielend und mit links! Hört, hört, Euer Erlaucht! Werft die Flinte nur nicht ins Korn! Wenn Ihr schon abtreten müßt, dann in aller Pracht und Herrlichkeit! Auf Händen getragen, und nicht mit einem Tritt in den Hintern! Ihr werdet sehen, der Staatsrat hat uns den Judas ruck, zuck herausdividiert. Punkt eins, Punkt zwei, Punkt drei, und fertig.«
    Der Staatsrat schüttelte den Kopf.
    »Ganz so einfach ist es nicht. Aus der Gendarmerieverwaltung könnte etwas herausgesickert sein, aus der Geheimpolizei ebenso. Aber es gibt noch eine dritte Möglichkeit, die zu prüfen leider nicht in meiner Macht steht. Unsere Planung, Chrapows Geleitschutz betreffend, ging als chiffrierte Depesche zur Bestätigung nach Petersburg. Darin waren auch Angaben zu meiner Person vermerkt, der ich für die Sicherheit des Gastes verantwortlich war: Auszug aus der Dienstliste, Portrait parlé, Legende und so weiter. Alles, wie in derlei Fällen üblich. Darum hat Seydlitz an der Identität des Pseudo-Fandorin auch nicht gezweifelt, weil er über mein Äußeres bestens informiert war, sogar über mein St-tottern. Sollte aber die Quelle der Indiskretion in Petersburg liegen, werde ich kaum etwas ausrichten können. So weit reicht mein Arm nicht, wie man sagt … Immerhin stehen die Chancen zwei zu eins, daß die Spur nach Moskau führt. Und vor allem
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