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Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)

Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)

Titel: Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
Autoren: John Flanagan
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I n dem kleinen Hafen wehte ein rauer Wind. Er trug das Salz des Meeres mit sich und den Geruch nach bevorstehendem Regen. Der einsame Reiter hatte dafür nur ein Schulterzucken übrig. Auch wenn es noch Sommer war, schien es doch während der vergangenen Woche unentwegt geregnet zu haben. Vielleicht regnete es in diesem Land ständig, egal zu welcher Jahreszeit.
    »Sommer wie Winter, nichts als Regen«, sagte er zu seinem Pferd. Es war nicht überraschend, dass das Pferd nichts erwiderte.
    »Außer natürlich, wenn es schneit«, fuhr der Reiter fort. »Und das passiert wahrscheinlich nur, damit man weiß, dass es Winter ist.« Diesmal schüttelte das Pony die Mähne und seine Ohren zuckten. Der Reiter lächelte. Sie waren alte Freunde.
    »Du bist ein Pferd der wenigen Worte, Reißer«, sagte Will. Aber das galt wohl für die meisten Pferde. In letzter Zeit war Will aufgefallen, dass er sich angewöhnt hatte, mit seinem Pferd zu sprechen. Als er das eines Nachts am Lagerfeuer Walt gegenüber erwähnte, erfuhr er, dass das unter Waldläufern ein recht verbreitetes Phänomen war.
    »Natürlich reden wir mit ihnen«, hatte sein alter Freund und Lehrmeister geantwortet. »Unsere Pferde sind viel vernünftiger als die meisten Menschen. Und außerdem …«, hatte er etwas ernsthafter hinzugefügt, »verlassen wir uns schließlich auch auf unsere Pferde. Wir vertrauen ihnen und sie vertrauen uns. Mit ihnen zu reden, stärkt unsere Verbundenheit.«
    Will sog die Luft ein. Jetzt stiegen ihm auch noch andere Gerüche in die Nase: Es roch nach Teer, nach Seilen und getrockneten Algen. Ein Geruch fehlte jedoch  – ein Geruch, den er in einem Hafen an der Ostküste von Hibernia erwartet hätte.
    Es fehlte der Geruch nach Fisch. Und es roch auch nicht nach Netzen, die getrocknet wurden.
    »Wenn sie nicht fischen, was tun sie dann?«, fragte er sich verwundert. Abgesehen vom Klappern der Hufe auf den unebenen Pflastersteinen, das durch die engen Straßen am Hafen hallte, war sein Pony ganz still. Aber Will kannte die Antwort ja bereits. Und genau deshalb war er hier. Port Cael war ein Schmugglernest.
    Anders als die breiten übersichtlichen Straßen in der Stadt waren die Hafengassen schmal und verwinkelt. Nur gelegentlich erleuchtete eine Laterne vor einem Haus den Weg. Die Gebäude waren überwiegend zweistöckig, mit Ladeluken im ersten Stock und mit Ladekränen, damit Ballen und Fässer aus den Fuhrwerken nach oben geschafft werden konnten. Es waren Speicher mit Lagerraum für die Güter, die im Hafen verschifft wurden.
    Will war schon fast am Kai angelangt. Weiter vorn, am Ende der Straße, konnte er die Umrisse kleiner Schiffe ausmachen,
die dort vor Anker lagen. Sie schaukelten unruhig in den letzten Ausläufern der schweren See, die bis in die Hafenmündung gebrandet war.
    »Es müsste irgendwo hier in der Gegend sein«, murmelte er. Und endlich entdeckte er es. Ein einstöckiges Gebäude mit einem tief nach unten gezogenen Dach. Die einst weiß verputzten Wände waren jetzt schmutzig grau. Ein unruhiges gelbliches Licht fiel durch die schmalen Fenster auf die Straße und ein Schild über der niedrigen Tür schaukelte knarrend im Wind. Die Abbildung stellte offenbar einen Seevogel dar.
    »Sieht aus wie ein Reiher«, meinte Will und sah sich neugierig um. Die anderen Gebäude waren alle dunkel und ohne Namensschild. Die Geschäfte dort waren für den Tag erledigt, wohingegen sie in einer Taverne gerade erst anfingen.
    Will stieg vor dem Wirtshaus ab und tätschelte gedankenverloren Reißers Hals. Das Pony betrachtete die nicht gerade einladend aussehende Spelunke und rollte die Augen.
    Willst du da wirklich rein?
    Sogar für ein Pferd der wenigen Worte gab es Zeiten, in denen es sich klar und deutlich ausdrückte. Will lächelte zuversichtlich.
    »Ich komme schon zurecht. Ich bin inzwischen ein großer Junge, weißt du.«
    Reißer schnaubte höhnisch. Er hatte den schmalen Hof vor den Stallungen neben dem Gasthaus gesehen und wusste, dass er dort warten musste. Er war immer unruhig, wenn er nicht bei seinem Herrn sein konnte, um ihn vor Schwierigkeiten zu bewahren. Will führte ihn durch das schief hängende Tor in den Hof. Dort waren ein Pferd und ein müdes
altes Maultier angebunden. Will hingegen brauchte sich nicht die Mühe zu machen, Reißer anzubinden. Er wusste, sein Pferd würde ausharren, bis er zurückkam.
    »Warte dort drüben, da ist es windgeschützt«, sagte er und deutete auf die gegenüberliegende Mauer.
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