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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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Mann saß auf einem einfachen Holzschemel fast hinter der Tür, wo der Wachtmeister ihn bei seinem ersten raschen Blick nicht bemerkt hatte. An der Stirnseite des Salons stand ein Konzertflügel. Zur Überraschung des Wachtmeisters sah er keine anderen Instrumente, nur eine Stereoanlage auf einem antiken Tisch. Davor stand ein gutaussehender junger Mann, der »liebe Emilio« vielleicht? Er unterhielt sich lebhaft mit einer schlanken, eleganten Dame in Weiß, die dem Wachtmeister ihren Rücken zukehrte. Vorsichtig, fast auf Zehenspitzen und die Uniformmütze in der Hand, trat er zu den beiden heran, eifrig bemüht, die zierlichen Stühle nicht anzustoßen, die bei der leisesten Berührung seines massigen Leibes gewiß zusammengebrochen wären.
    Der junge Mann hielt mitten im Satz inne und starrte ihn an, die Frau drehte sich um.
    »Signora Marchesa…«
    »Ja?«
    Sie maß ihn von oben bis unten, genau wie die andere Frau, nur erheblich wirkungsvoller. Sie hatte zwei große, schwarze Augen, aber blondes Haar und eine weiße Haut. Sie war nicht mehr jung, bestimmt über Vierzig, aber ungewöhnlich schön und mit einer Ausstrahlung, die den Wachtmeister davon abhielt, näherzutreten. Der Ausdruck in ihren hellen, hochmütigen Augen irritierte ihn so sehr, daß er sich auch nicht kleiner gefühlt hätte, wenn er auf dem spiegelglatten Fußboden ausgerutscht wäre und einige von diesen lächerlichen kleinen Stühlen kaputtgemacht hätte. Er schluckte und sah den jungen Mann an, um ihrem Blick auszuweichen.
    »Es tut mir leid, ich habe eine schlechte Nachricht. Dürfte ich Sie wohl allein sprechen…«
    »Eine schlechte Nachricht…?«
    Sie legte den Kopf etwas zur Seite, als bemühte sie sich, ihm zu glauben, und wandte sich dann lächelnd dem jungen Mann zu. Er durfte gehen. Der Wachtmeister sah ihm hinterher. An der Tür sprach er mit dem Mann auf dem Hocker, der daraufhin rasch aufstand, die Anwesenden mit einem finsteren Blick bedachte und mit dem anderen hinausging.
    »Die Unterbrechung ist mir ganz lieb…« murmelte die Marchesa mit einer Andeutung von Lächeln. »Künstler sind ein eigener Menschenschlag, finden Sie nicht? Und ganz gleich, von welcher Herkunft… aber es gibt schließlich eine Grenze… der liebe Emilio. Tja, ich bin ganz sicher, daß er sich diesen Fehler nicht noch einmal erlauben wird… Was genau kann ich für Sie tun?«
    Der plötzliche Stimmungswandel verdutzte ihn.
    »Ähm… Ich bedaure, ich habe eine schlechte Nachricht…«
    »Jaja, das sagten Sie bereits. Sollten Sie mir nicht erklären, wer Sie sind?«
    »Wachtmeister Guarnaccia von der Carabinieri-Wache im Palazzo Pitti.«
    »Palazzo Pitti? Es gibt dort eine Carabinieri-Wache? Sehr ungewöhnlich, aber wie schön für Sie. Möchten Sie nicht Platz nehmen?«
    »Nein! Ähm… nein, vielen Dank.«
    Nie und nimmer wäre er das Risiko eingegangen, sich bei seinem Gewicht auf eines dieser dünnbeinigen Stühlchen zu setzen. Vor lauter Verlegenheit schwitzte er, und eigentlich ging alles, was die Marchesa sagte, an ihm vorbei. Er konnte sie nur mit seinen großen Augen anstarren. Ihm war, als betrachtete er jemanden, der eine Maske trug, und er versuchte, den wahren Ausdruck dahinter zu ergründen. Es war eine Maske von leichter Überraschung, in die sich Geringschätzung mischte. Eiskalte Augen sahen aus ihr heraus.
    »Ich kam gerade vorbei«, begann er nach einem leichten Hüsteln, »als ich von einem Mann herbeigerufen wurde… ein Zwerg…«
    »Grillo?«
    »Grillo, ja… ich nehme an, er arbeitet für Sie.«
    »Arbeitet? Na ja, hin und wieder gibt es im Haus etwas für ihn zu tun. Er ist seit seiner Kindheit bei uns. Gehört sozusagen zur Familie.«
    Der Wachtmeister interpretierte das so, daß er keinen Lohn bekam und unversichert und illegal beschäftigt wurde, aber er hatte nicht vor, sich mit dieser Angelegenheit zu befassen. Er hatte ohnehin schon genug am Hals. Als er bemerkte, daß er mit seinen großen Händen ständig seine Uniformmütze herumdrehte, hörte er damit auf, hielt den Schirm fest und sagte: »Dieser Grillo brachte mich vom Innenhof in ein Zimmer, ein Jagdzimmer. Er sagt, er ist dort hineingegangen, um die Gewehre zu reinigen. Ihr Mann war dort. Möglicherweise hatte er eines der Gewehre gereinigt, und dabei ist es zu einem Unfall gekommen. Er ist tot, Signora Marchesa.«
    »Buongianni? Tot…?«
    Die Maske verschob sich, drückte jetzt besorgtes Erstaunen aus. Die Augen schwankten nicht eine Sekunde. Sie fand es nicht
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