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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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mächtige Faust und klopfte leise. Die Musik ging weiter. Es war ein trauriges, aber schönes Stück, dessen Melodie von einem Instrument gespielt wurde, das sich wie eine Flöte anhörte. Er klopfte noch dreimal leise an und tippte dann gegen die Tür. Sie öffnete sich. Schließlich war es ein Konzert, und vermutlich ein öffentliches. Deshalb trat er behutsam ein. Er befand sich in einem breiten Korridor, dessen Terrakottafliesen so alt und so nachgedunkelt waren, daß sie fast schwarz aussahen. Fenster gab es nicht, das Licht kam von kleinen Lämpchen mit Seidenschirmen auf vier halbmondförmigen Tischen, die zwei weitere Flügeltüren jeweils rechts und links flankierten. Noch immer erklang das leise Klagen der Flöte, und der Wachtmeister bemühte sich, mit seinen schwarzen Stiefeln nicht allzuviel Lärm auf dem polierten Fußboden zu machen, und vor lauter Anstrengung ballte er die Hände zu einer Faust. Er erreichte die linke Tür, nahm seine Uniformmütze ab und drückte den Messinggriff hinunter.
    Während die Musik lauter wurde, fiel sein Blick in einen hohen, in Gelb und Weiß gehaltenen Salon mit dem gleichen dunkelpolierten Fußboden und einem riesigen Kronleuchter. Auf zierlichen vergoldeten Stühlen saßen vielleicht sechzig oder achtzig elegant gekleidete Menschen. Leise schloß er die Tür und überlegte, was er tun sollte. Auf eine Pause warten und, während geklatscht wurde, sich hineinschleichen? Lächerlich. Der Mann der Marchesa lag tot dort unten. Warum zum Teufel vermißte sie ihn gar nicht, wo doch all ihre Gäste gekommen waren? Vielleicht war es doch am besten, hinauszugehen und von einer Bar aus Verstärkung anzufordern, nun, da der Lärm des Festzugs bald vorbei sein würde. Was ihn zögern ließ, war der Gedanke an den plappernden Grillo, der da unten bestimmt wartete, um zu sehen, wie der Wachtmeister mit der Situation fertig würde. Inzwischen begriff er, warum sich der Zwerg geweigert hatte, mit hochzukommen und in diese Versammlung hineinzuplatzen, und er konnte sich sehr gut vorstellen, mit welch triumphierendem Grinsen er auf seine ängstliche und wenig selbstbewußte Art reagieren würde.
    »Mist«, sagte er zu sich selbst und überlegte erneut, ob er auf eine Pause warten sollte. Dann hörte er, daß eine Tür hinter ihm geöffnet wurde. Er drehte sich um und sah eine ältere, füllige Frau in Dienstmädchenkleidung. Sie hielt noch immer die Tür weit offen und starrte ihn ängstlich an. Mit einem leisen Schreckensruf drehte sie sich um und verschwand. Er hörte sie nach jemandem rufen.
    »Mauro! Mauro!«
    »Was ist jetzt wieder los, Alte?«
    »Mauro!«
    Der Wachtmeister war ihr gefolgt. Der Salon zu seiner Rechten sah fast genauso aus wie der andere, war nur etwas kleiner und enthielt zwei sehr lange, mit weißen Damasttüchern gedeckte Tische, auf denen Flaschen des berühmten Aperitifs sowie Gläser standen. Eine kleine Dienstbotentür am anderen Ende stand offen, und dort erschien jetzt ein Mann. Er hatte ein verhutzeltes, affenartiges Gesicht und trug eine schwarze Hose, ein kurzes gestreiftes Jackett und weiße Handschuhe. Seine Frau – denn dies war zweifellos der Portier – tauchte hinter ihm wieder auf und guckte ängstlich über seine Schulter. Ihr weißes Gesicht wies inzwischen rote Flecken auf. Offensichtlich fühlten sie sich in ihrer »Kostümierung« sehr unwohl, was ihre Nervosität beim Anblick des Wachtmeisters nur noch verstärkte. Der Portier sah weniger den Wachtmeister als dessen Uniform. Er stieß nur ein einziges leises Wort aus.
    »Verdammt…«
    »Was hab ich dir gesagt«, jammerte seine Frau. »Immer wieder hab ich es gesagt, aber niemand hört auf mich.
    Also, ich bin froh, wirklich. Ich bin froh. Selbst sie wird es sich zweimal überlegen, bevor sie ihm noch einmal hilft, wenn du mich fragst, und das wird das Ende sein. Selbst wenn sie ihn einlochen, jedenfalls wird es das Ende sein! Du hörst mir nicht zu, aber du wirst es noch begreifen…«
    »Sei still, blöde Kuh!«
    Der Wachtmeister, der überhaupt nichts begriff, blieb schweigend stehen. Die Frau schlurfte wieder durch die Dienstbotentür und setzte ihr Klagen und Jammern außer Sicht fort.
    »Ja, bitte?«
    Der Portier, in dem Versuch, möglichst unbekümmert zu wirken, vergrub die Hände in den Hosentaschen, zog sie aber wegen der weißen Handschuhe sofort wieder heraus. »Hat er sich verletzt oder hat er jemand anderem etwas getan oder
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