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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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große Haus hinter dem Fenster. Wenn er etwas zu sagen hätte, würde er schon seit einer Stunde dort drüben akkurat und methodisch seine Ermittlungen durchführen, aber sie tranken in aller Ruhe ihren Kaffee, wie sie in aller Ruhe ihre Pizza gegessen hatten, und noch immer gab der Wachtmeister keine Antwort. Lorenzini wandte den Blick vom Fenster und sah, daß er schweigend zum Fernseher hinüberstarrte. Endlich machte Guarnaccia den Mund auf, aber es war ein anderes Thema.
    »Komische Leute, diese Florentiner. Nach all diesen Jahren habe ich mich noch immer nicht daran gewöhnt – nimm's nicht persönlich.«
    Lorenzini, ein waschechter Florentiner, bemerkte, daß wir alle unsere Eigenheiten hätten, aber seine Bemerkung kam nicht an.
    »Du hättest ihn sehen sollen, wie er in Gegenwart eines Toten dastand und Witze riß.«
    »Lieber eine Leiche im Haus als einen Pisaner auf der Schwelle?«
    »He?«
    »Das ist ein altes florentinisches Sprichwort aus der Zeit der Kriege mit Pisa.«
    »Mmm.«
    Der Wachtmeister sinnierte eine Weile und sagte schließlich: »Dann bin ich also der Pisaner?«
    »Sie oder irgend jemand, der die hergebrachte Ordnung bedroht.«
    »Tja… Vielleicht hast du recht. Vielleicht solltest du mit ihm sprechen, ihr versteht euch vielleicht besser – sieh dir das nur an! Er versucht, den Schiedsrichter zu erwürgen! Das Gesicht kommt mir bekannt vor. Ist das nicht der Bursche, dem mal das Ohr abgebissen wurde?«
    »Kann sein. Ist schon Jahre her. Ich glaube, ich bin noch zur Schule gegangen.«
    »Also, mir gefällt das nicht. Mindestens die Hälfte dieser Kerle sollte hinter Gittern sein, wenn du mich fragst. Jedenfalls, rede du mit ihm. Dann haben wir noch den Portier und seine Frau. Mori, so heißt er, und einen Sohn gibt es auch noch, und wenn ich richtig informiert bin, dann gehört er zu diesen Kerlen.«
    Abermals ein düsterer Blick zum Fernseher, und dann tippte er mit seinem riesigen Zeigefinger auf das Notizbuch. »Da wäre die alte tata. Hat seit Urzeiten die Kinder der Ulderighi aufgezogen. Ihr Name ist Marilena Binazzi. Einundneunzig und völlig taub. Diese Hausangestellten wohnen alle im Erdgeschoß, ihre Zimmer gehen auf den Innenhof. Die anderen Zimmer sind als Studios vermietet. Der Musiker. Emilio Emiliani, der im dritten Stock eine Wohnung hat, benutzt eines zum Üben. Eines ist eine Arztpraxis… hier, Flavia Martelli, sie hat ebenfalls eine Wohnung im oberen Stock. Das letzte Zimmer, rechts neben dem Eingang, ist an eine Engländerin namens Catherine Yorke vermietet, die irgendwo als Restauratorin arbeitet. Sie ist letzte Woche nach England abgereist, wir werden sie also nicht zu sehen bekommen. Ähm, im dritten Stock gibt es noch eine Wohnung… Moment… Martelli, Emiliano… Hier, der da: Fido.«
    »Klingt wie ein Hundename.«
    »Ein Maler. Ebenfalls Engländer, aber du hast recht, es ist ein komischer Name. Ach ja, und im ersten Stock gibt es eine Ballettschule, aber die interessiert uns nicht, da sie von Samstag bis Montag geschlossen ist. Tja, das war's schon. Wir gehen jetzt und fragen sie, ob sie irgend etwas gehört haben, und alle werden mit Nein antworten.«
    »Aber Herr Wachtmeister, diese Leute, die dort als Mieter wohnen und nicht zur Familie gehören – ich meine, von einem solchen Schuß, der im Hof widerhallt, wäre doch ein Toter aufgewacht.«
    »Ja.«
    Der Wachtmeister steckte das Notizbuch wieder in seine Tasche. »Richtig. Wenn es dort passiert ist. Aber ich glaube nicht, daß er dort gestorben ist, nicht so. Er lag auf dem Rücken, aber seitlich am Kopf waren Blutergüsse zu erkennen. Es wird natürlich eine Autopsie geben, klar, aber die Ergebnisse werde ich nicht zu sehen bekommen.«
    »Sie glauben also, er hat sich erschossen?«
    »Woher soll ich wissen, ob er sich erschossen hat? Der Punkt ist, daß ich es nie erfahren werde – aber ich werde dir sagen, was ich weiß: man trägt zum Gewehrreinigen keinen Smoking. Und noch etwas: der Fundort war viel zu sauber. Nicht der geringste Blutspritzer. Wir sollten zahlen und gehen.«
    Zahlen und gehen – das war leichter gesagt als getan. Der Kellner war viel zu beschäftigt mit der lärmenden Menge am Fernsehgerät, als daß er ihre Versuche bemerkt hätte, ihn auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich stand Lorenzini auf und holte den Besitzer herbei, der sie aber mit seinen Fragen, ob ihnen die Pizza seiner Frau geschmeckt habe, weiter aufhielt. Lorenzini tat ihm den Gefallen, während der
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