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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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ich es ausdrücken? Sie müssen sich La Bianca – die Marchesa Ulderighi für die Uneingeweihten – als eine Art Hohepriesterin des musikalischen Geschmacks vorstellen und meine Wenigkeit als den Gehilfen, der – für ein kleines Entgelt in ihrem Auftrag den Unterschied zwischen der einen oder der anderen Note erklärt. Von einer Dame mit so vielen anstrengenden gesellschaftlichen Verpflichtungen kann man nicht erwarten, daß sie sich mit den trivialen oder technischen Aspekten der Musik abgibt. Also: ich spiele den Leuten eine Schallplatte vor – wobei ich alles vermeide, was sie erkennen und mitsummen könnten und setze mich dann ans Klavier, um das Stück zu analysieren. Und währenddessen sehen sie mich höflich und aufmerksam an und denken ›Ist Bianca nicht musikalisch! ‹«
    »Und? Ist sie es?«
    »Also, ich glaube, sie könnte es sein, wenn sie intensiv arbeiten würde – ich bin jetzt sehr großzügig, wenn man bedenkt, was heute nachmittag abgelaufen ist –, aber der Sohn hat Talent, völlig unterdrückt, aber es ist da, und wenn überhaupt, dann hat er es von ihr. Wie dem auch sei, für die Musik wendet sie jedenfalls auch nicht mehr Zeit auf als für die Auswahl eines Lippenstifts, also soviel, bis sie sich überzeugt hat, daß er von hinreichend guter Qualität ist, die richtige Marke ist und ihr steht. Sie ist ausreichend informiert, um bei einer Premiere eine geistreiche Bemerkung machen zu können, und sie weiß, wann sie still sein muß, um einen Fauxpas zu vermeiden, wie ihn Nini sich geleistet hat. Sie müssen Ninis berühmte Bemerkung über Chopin gehört haben, ganz Florenz hat davon gesprochen!!«
    »Nein… Wenn ich fragen darf…«
    »Sie müssen doch davon gehört haben! Kurz nach Weihnachten, als ich meinen Chopin-Klavierabend gab, und natürlich wollten all die lieben alten Tanten von Biancas Sonntagnachmittagen Karten haben, aber Nini, die Contessa – ganz entschieden mein Liebling – flüsterte mir ins Ohr: ›Du wirst doch nicht nur Lieder spielen, wie?‹«
    Er schloß die Augen und wurde von einem so herzlichen und ansteckenden Lachen geschüttelt, daß der Wachtmeister ein wenig schmunzeln mußte, auch wenn er den Witz nicht verstanden hatte. Er wartete, die Uniformmütze auf den Knien, bis sich das Gelächter gelegt hatte und der junge Mann sich ihm wieder zuwandte. Dann sagte er: »Sie haben einen Zwischenfall erwähnt, der heute nachmittag passiert ist. Wenn Sie mein Eintreffen meinen…«
    »Nein! Wollen Sie damit sagen, Ihnen ist nichts aufgefallen? Sie wären gestorben vor Lachen! Ich weiß nicht, wie ich ein ernstes Gesicht behalten habe, ich weiß es wirklich nicht, und ich habe nicht gewagt, Simone anzugucken. Er war fuchsteufelswild, aber ich bin diese Leute gewöhnt und konnte nicht anders – selbst wenn ich es mir jetzt überlege…«
    Der Gedanke daran brachte ihn wieder zum Lachen, daß sein Gesicht rot anlief und seine Augen tränten.
    »Simone ist mein Freund, verstehen Sie. Also, ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß Biancas Sonntagnachmittage eine ganz exklusive Veranstaltung sind, aber Simone wollte heute unbedingt kommen, also habe ich sie gestern gefragt – beachten Sie, daß ich ihn nicht einfach mitgebracht habe, ich habe sie gefragt. Na ja, Sie können sich vorstellen, in welcher Lage sie war. Sie wollte ihn nicht da haben, aber da sie auf mich angewiesen war, weil es sonst keinen Sonntagnachmittag gegeben hätte, willigte sie mit knirschenden Zähnen ein. Und dann fand sie eine Lösung, wie sie ihre exklusiven Freunde besänftigen konnte. Ich kann es noch immer nicht glauben, obwohl ich es mit eigenen Augen gesehen habe. Simone durfte kommen, durfte sich aber nicht auf einen goldenen Stuhl setzen! Ist das nicht unglaublich? Er bekam einen unbequemen kleinen Schemel gleich neben der Tür zugewiesen, so daß es aussah, als würde er dort Eintrittskarten verkaufen.«
    Das konnte sich der Wachtmeister tatsächlich nur sehr schwer vorstellen, obwohl er den jungen Mann auf dem Schemel neben der Tür mit eigenen Augen gesehen hatte.
    »Vielleicht waren die anderen Stühle alle besetzt…« murmelte er.
    »Fünfzehn waren leer. Fünfzehn! Der arme Simone, aber wie kann man über die Mentalität dieser Leute nicht lachen. Also, ich finde es lachhaft, aber ich muß sagen, ich möchte nicht in Ihren Schuhen stecken. Ich würde Ihnen helfen, wenn ich kann, vermutlich haben Sie aber nur die Aufgabe, das, was passiert ist, zu kaschieren.«
    »Sie könnten mir
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