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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst
Autoren: Dean R. Koontz
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1. Kapitel
    An jenem Dienstag im Januar, der ihr Leben für immer verändern sollte, wachte Martine Rhodes mit Kopfschmerzen auf, bekam Sodbrennen, nachdem sie zwei Aspirin mit Grapefruitsaft hinuntergespült hatte, sorgte dafür, dass es einer dieser denkwürdigen Ich-hasse-meine-Frisur-Tage wurde, indem sie sich die Haare mit Dustins Shampoo wusch, brach sich einen Fingernagel ab, ließ ihren Toast anbrennen, entdeckte eine Ameisenstraße im Einbauschrank unter der Spüle, eliminierte die Tierchen mit einer Dose Ungezieferspray, die sie so verwegen zum Angriff schwenkte wie Sigourney Weaver den Flammenwerfer in einem dieser alten Alien -Filme, beseitigte die Spuren des Gemetzels mit einer Papierserviette, summte, während sie die winzigen Leichen feierlich im Abfalleimer entsorgte, Bachs Requiem vor sich hin und erhielt einen Anruf von ihrer Mutter Sabrina, die auch drei Jahre nach der Hochzeit immer noch hartnäckig das baldige Scheitern von Marties Ehe prognostizierte. Dennoch blickte sie dem vor ihr liegenden Tag zuversichtlich – ja, euphorisch – entgegen, denn sie hatte von ihrem verstorbenen Vater, Robert »Strahlebob« Woodhouse, neben den blauen Augen, dem pechschwarzen Haar und den hässlichen Füßen ein optimistisches Wesen, eine beeindrukkende Tüchtigkeit und Tatkraft sowie eine unerschütterliche Lebensfreude geerbt.
    Danke, Daddy.
    Nachdem sie ihre stets hoffnungsfrohe Mutter endlich überzeugt hatte, dass die Ehe der Rhodes’ immer noch glücklich war, schlüpfte Martie in ihre Lederjacke und brach mit ihrem Golden Retriever Valet zum morgendlichen Spaziergang auf.
    Mit jedem Schritt ließen ihre Kopfschmerzen nach.
    Am Wetzstein des klaren östlichen Horizonts schärfte die Sonne blitzende Lichtklingen, im Westen schob jedoch ein kühler auflandiger Wind eine dunkle, drohende Wolkenwand vor sich her.
    Sorgenvoll beäugte der Hund den Himmel, hob misstrauisch schnuppernd die Nase und lauschte mit aufmerksam zuckenden Hängeohren dem knisternden Rauschen der Palmwedel, die im Wind schwankten. Valet wusste offensichtlich, dass ein Sturm aufzog.
    Er war ein sanftmütiger, verspielter Hund, aber laute Geräusche erschreckten ihn, als wäre er in einem früheren Leben Soldat gewesen und würde nun von Erinnerungen an vergangene, von Kanoneneinschlägen erschütterte Schlachtfelder verfolgt. Zum Glück kam in Südkalifornien ein Unwetter selten mit Donner und Blitz daher. Normalerweise regnete es lediglich ohne Ankündigung, und das leise Prasseln auf Asphalt, das Säuseln im Laub waren Geräusche, die sogar Valet als beruhigend empfand.
    An den meisten Tagen lief Martie eine Stunde lang mit dem Hund durch die schmalen, baumgesäumten Straßen von Corona del Mar, aber dienstags und donnerstags hatte sie Verpflichtungen, die ihren gemeinsamen Ausflug auf eine Viertelstunde beschränkten. Es war, als hätte Valet einen eingebauten Kalender in seinem Wuschelkopf, denn bei den Dienstags- und Donnerstagsspaziergängen trödelte er niemals herum, sondern erledigte unverzüglich sein Geschäft.
    An diesem Morgen drehte der Hund auf dem Grünstreifen zwischen Gehweg und Bordsteinkante, nur eine Straße vom Haus entfernt, befangen den Kopf und hob unauffällig das rechte Hinterbein, als wäre es ihm peinlich, sich in aller Öffentlichkeit erleichtern zu müssen.
    Sie hatten das Ende der Häuserzeile noch nicht erreicht, da machte er bereits Anstalten, die zweite Hälfte seines morgendlichen Geschäfts zu erledigen, wurde aber durch die Fehlzündung eines vorbeifahrenden Müllwagens erschreckt. Er duckte sich hinter eine Palme und lugte erst an der einen, dann an der anderen Seite des Baumstamms vorbei zur Straße, jederzeit darauf gefasst, dass das furchterregende Fahrzeug wieder auftauchen würde.
    »Keine Angst«, redete Martie beruhigend auf ihn ein. »Der große böse Lastwagen ist weg. Alles in Ordnung. Hier ist jetzt wieder gefahrenfreie Zone.«
    Valet war noch nicht überzeugt. Er blieb auf der Hut. Außer Strahlebobs Optimismus hatte Martie auch dessen Geduld geerbt. Das zeigte sie in besonderem Maße Valet gegenüber, den sie fast so sehr liebte, wie sie vermutlich ein Kind geliebt hätte, das sie allerdings nicht hatte. Er war ein gutmütiges und schönes Tier: lichtgoldenes Fell mit weiß und golden gesprenkeltem Flaum an den Läufen, eine leichte schneeweiße Zeichnung am Hinterteil und ein buschiger Schwanz.
    Selbstverständlich sah Martie den Hund nicht an, wenn er sich, wie in diesem Augenblick,
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