Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auf ewig unvergessen

Auf ewig unvergessen

Titel: Auf ewig unvergessen
Autoren: Phillip Margolin
Vom Netzwerk:
Teil 1 Weckanruf
Kapitel Eins
1
    »Sind Sie zu einem Urteil gekommen?« fragte Richter Alfred Neff die acht Männer und vier Frauen, die auf der Geschworenenbank saßen.
    Ein massiger Mann mit breiter Brust Mitte sechzig stand schwerfällig auf. Betsy Tanenbaum warf einen Blick auf die Karteikarte, auf der sie sich bei der Auswahl der Geschworenen vor zwei Wochen Notizen gemacht hatte. Es war Walter Korn, ein pensionierter Schweißer. Walter war der Sprecher der Geschworenen, und Betsy war nicht ganz wohl bei diesem Gedanken. Sie hatte ihn auch nur deshalb als Geschworenen akzeptiert, weil ihr die Kandidaten ausgegangen waren.
    Der Gerichtsdiener holte den Zettel mit dem Urteilsspruch von Korn und gab ihn dem Richter. Betsys Augen folgten dem zusammengefalteten weißen Papier. Als der Richter das Blatt auseinanderfaltete und es still für sich las, suchte sie in seinem Gesicht nach einer verräterischen Regung, aber es gab keine.
    Betsy warf einen verstohlenen Blick auf Andrea Hammermill, die plumpe, matronenhafte Frau, die neben ihr saß. Andrea starrte stur geradeaus, genauso ergeben und niedergeschlagen wie sie während des gesamten Prozesses, in dem man sie des Mordes an ihrem Ehemann angeklagt hatte, gewesen war. Das einzige Mal, dass Andrea eine Gefühlsregung gezeigt hatte, war bei ihrer Aussage, in der sie erklärte, warum sie Sydney Hammermill erschossen hatte. Als sie den Geschworenen beschrieb, wie sie immer und immer wieder abgedrückt hatte, bis ihr an dem dumpfen Klicken bewusst geworden war, dass sich keine Kugel mehr in der Waffe befand, hatten ihre Hände gezittert, ihr Körper sich zusammengekrampft, und sie hatte herzerweichend geschluchzt.
    »Die Angeklagte möge sich bitte erheben«, verkündete Richter Neff.
    Andrea stand unsicher auf, Betsy neben ihr, die Augen nach vorne gerichtet.
    »Wir, die ordnungsgemäß ernannten und vereidigten Geschworenen, erklären die Angeklagte, Andrea Marie Hammermill, für nicht schuldig...«
    Den Rest des Urteilsspruchs konnte Betsy durch den Lärm im Gerichtssaal nicht verstehen. Andrea brach auf ihrem Stuhl zusammen und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Es ist gut«, sagte Betsy, »es ist ja alles gut.« Sie fühlte, wie ihr selbst die Tränen übers Gesicht liefen, als sie den Arm schützend um Andreas Schultern legte. Jemand tippte sie an. Sie schaute auf. Randy Highsmith, der Staatsanwalt, stand neben ihr und hielt ihr ein Glas Wasser hin.
    »Ich denke, das kann sie jetzt gebrauchen«, sagte er.
    Betsy nahm das Glas und gab es ihrer Klientin. Highsmith wartete einen Moment, bis Andrea ihre Fassung wiedergefunden hatte.
    »Mrs. Hammermill«, hob er an, »ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Sie angeklagt habe, weil Sie das Gesetz in die eigene Hand genommen haben. Aber ich möchte Ihnen auch sagen, dass Ihr Mann kein Recht hatte, Sie so zu behandeln, wie er es getan hat. Wenn Sie zu mir gekommen wären, anstatt ihn zu erschießen, hätte ich alles getan, ihn hinter Gitter zu bringen. Ich hoffe, Sie können das alles vergessen und ein neues Leben anfangen. Sie scheinen ein guter Mensch zu sein.«
    Betsy wollte dem Staatsanwalt für seine anteilnehmenden Worte danken, doch sie war zu aufgewühlt, um zu sprechen. Als Andreas Freunde und die, die sie unterstützt hatten, sich um sie versammelten, drängte sich Betsy aus der Menge, um endlich wieder tief durchatmen zu können. Über die Menschen hinweg konnte sie Highsmith allein über seinen Tisch gebeugt stehen sehen, wo er seine Gesetzbücher und Akten zusammensuchte. Als der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt in Richtung Tür ging, bemerkte er Betsy am Rande der Menschentraube und nickte ihr zu.
2
    Den Rücken durchgebogen, die glänzenden Muskeln angespannt und den Kopf zurückgelegt, sah Martin Darius aus wie ein Wolf, der seine Beute anheult. Die Blondine, die unter ihm lag, klammerte ihre Beine fester um seine Hüften. Darius erzitterte und schloss die Augen. Die Frau keuchte vor Anstrengung. Darius' Gesicht verzerrte sich, dann brach er über ihr zusammen. Sein Kopf fiel auf ihre Brust. Er hörte den Herzschlag der Blondine und roch Schweiß, der sich mit einer Spur von Parfüm vermischte. Die Frau legte den Arm über ihr Gesicht. Darius ließ seine Hand nachlässig an ihrem Bein entlang gleiten und blickte über den flachen Bauch der Frau zu der billigen Digitaluhr auf dem Tisch des Motelzimmers. Es war 14.00 Uhr. Darius setzte sich langsam auf und schwang seine Beine über den Rand des Bettes auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher