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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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den Sie sich sorgen?«
    Der Wachtmeister hatte mittlerweile zwei und zwei zusammengezählt.
    »Um wen sollte ich mich schon sorgen? Wenn er auf jemand losgegangen ist, dann hatte er gute Gründe. Alle haben es auf ihn abgesehen – ich habe ihn angefleht, aufzuhören. Ich habe ihn gewarnt…«
    »Reg dich nicht auf!« rief ihr Mann und griff sich dann wieder an die Brust. Er schloß die Augen vor Schmerz und sagte: »Er ist wegen Corsi gekommen. Es hat einen Unfall gegeben. Er ist tot.«
    Die Frau schwieg. Stumm guckte sie die aufgereihten Flaschen an, als wären sie ein Beweis dafür, daß ihr Hersteller noch lebte.
    »Und was passiert jetzt?« fragte der Wachtmeister, während er mit dem Kopf zu dem anderen Zimmer deutete, wo die Musik aufgehört hatte und Beifall geklatscht wurde.
    »Sie werden alle hier herein kommen.«
    Sie strich sich die Schürze glatt. »Mein Gott, wie ich aussehe…«
    Sie achtete nicht auf das Häubchen, aber der Wachtmeister mochte sie nicht darauf hinweisen.
    »Und wer wird es ihr sagen?«
    »Ich.«
    »Lieber Sie als ich. Nicht, daß wir uns besonders gut leiden konnten… Trotzdem…«
    »Können Sie hier normal weitermachen?« unterbrach sie der Wachtmeister. »Ich werde sie im anderen Zimmer festhalten, wenn irgend möglich…«
    Aber die beiden standen auf, hörten ihm schon nicht mehr zu. Mit einer Behendigkeit, die ihn verblüffte, hatten sie ihren Platz hinter jeweils einem der beiden langen Tische eingenommen und schenkten kleine Mengen des berühmten Aperitifs in die bereitstehenden polierten Gläser, als die Türen des benachbarten Salons aufflogen.
    2
    Angesichts der Menge, die sich in den Raum ergoß, wich der Wachtmeister ein paar Schritte zurück, doch dann blieb er stehen, mit festem, ausdruckslosem Gesicht, und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Er wußte sehr wohl, wie deplaziert er in seiner dunklen Uniform neben all der hellen Seide und dem Leinen wirkte, steif und stumm inmitten von lebhaften Bewegungen und angeregtem Geplauder. Einige Frauen warfen ihm einen fragenden Blick zu, bevor sie sich wieder abwandten, um ihre Konversation fortzusetzen oder sich ein Glas zu nehmen. Niemand sprach ihn an. Es waren fast nur Frauen da, und zwar durchweg ältere. Eine, stark geschminkt und im Abendkleid, bewegte sich mit Hilfe von zwei Stöcken. Der Raum wurde von einer aufdringlichen Mischung schwerer Parfüms erfüllt. Eine Frau stieß, während sie sich, ein Glas in der Hand, von dem langen Tisch entfernte, mit dem Wachtmeister zusammen. Sie drehte sich um, als wollte sie sich entschuldigen, aber ihr Gesichtsausdruck erfror, als sie ihn sah. Mit eisigem Blick maß sie ihn von oben bis unten, ehe sie ihn aus ihrer Welt verbannte, sich umdrehte und ihre Konversation wieder aufnahm.
    »Sehr begabt, finde ich, und attraktiv, aber du hast ja ›den Freund‹ gesehen… Bianca war ziemlich verunsichert, meine Liebe, aber was konnte sie schon tun…«
    »Sie hätte sich weigern sollen. Natürlich wollen wir unseren lieben Emilio nicht verlieren. Dennoch…«
    »Ach ja, Bianca kann sich alles erlauben, sogar das!«
    Der Wachtmeister überlegte, was mit »sogar das« gemeint war, und dachte, daß der Frau vielleicht das Zeug in dem Glas nicht schmeckte. Etwas anderes wurde nicht angeboten, wie er feststellte.
    »Was meinst du«, flüsterte eine Stimme so dicht an seinem Ohr, daß er sich angesprochen glaubte, »ist Emilio in Wahrheit homosexuell?«
    Es war die stark geschminkte alte Dame mit den beiden Gehstöcken, die jedoch nicht zu ihm sprach, sondern zu einer viel jüngeren Frau, die amüsiert guckte.
    »Natürlich. Er hat doch nie einen Hehl daraus gemacht.«
    Sie bemerkte, daß der Wachtmeister sich umdrehte und sie anstarrte, was sie noch mehr zu amüsieren schien. Die andere Frau bemerkte nichts, sondern fuhr fort: »Na ja, du bist jung und kennst dich in solchen Dingen aus – ist es ein genetischer Defekt oder psychosomatisch, wie es so schön heißt? Ich verstehe es nicht…«
    Der Portier tauchte mit einem Tablett voller Gläser neben dem Wachtmeister auf.
    »Nehmen Sie ruhig…«
    »Nein, danke.«
    »Na, dann gehen Sie rein. Sie ist dort drüben.«
    Er zeigte mit einer Kopfbewegung zum benachbarten Salon.
    Der Wachtmeister arbeitete sich zur Tür vor. Der größere Raum war jetzt fast leer. Drei Männer in eleganten Seidenanzügen und mit glänzendem grauen Haar standen, in ein ernstes Gespräch vertieft, in der Nähe der leeren vergoldeten Stühle. Ein ganz junger
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