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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo
Autoren: Magdalen Nabb
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aber auch nichts. Der Wachtmeister hatte die Lumpen und das Reinigungsöl auf dem Tisch bewußt nicht betrachtet.
    »Hat es selber gereinigt, stimmt's? Ich meine, muß doch so gewesen sein. Hat sich selbst erschossen, würden Sie nicht auch sagen?«
    Der Wachtmeister ging nicht darauf ein.
    »Du hast gesagt, es war dein Job.«
    Die Antwort war ein langgezogenes Gackern.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Nichts. Er ist oft in diesem Zimmer gewesen, hat mit seinen Gewehren gespielt. Hat viele Abende hier verbracht. Hat mit seiner kleinen Pistole gespielt.«
    Lüstern grinste er zur Leiche hinüber. »Das war ihm lieber als seine Frau und deren Freundinnen. Und was glauben Sie, warum, na? Hahaha.«
    Der Wachtmeister guckte finster. Er kam sich allmählich vor wie der Tolpatsch in einer Komödie. Er beschloß, es mit drohendem Schweigen zu probieren. Die Strategie funktionierte. Zuerst wahrte auch der Zwerg trotziges Schweigen, doch bald wurde er unruhig.
    »Na ja, jedenfalls… man wird ihr Bescheid sagen müssen. Sie wollen bestimmt wissen, wer und wo…«
    Der Wachtmeister rührte sich ein wenig und blieb dann wieder still stehen. Das Zimmer war so kahl, so streng und ohne Fenster. Es mußte einem schon schlecht gehen, wenn man dort lange, einsame Abende verbringen wollte.
    »Sie müssen nach der Marchesa fragen. Marchesa Ulderighi. Seine Frau. Sie finden sie im ersten Stock. Es findet dort gerade ein Konzert statt, wie immer an Sonntagnachmittagen.«
    Der Wachtmeister drehte sich um und verließ den Raum.
    »Ich schließ wieder ab, ja? Besser so, was meinen Sie?«
    Grillo kam plappernd hinter ihm her. Der Wachtmeister wartete, bis er abgeschlossen hatte, nahm ihm dann den Schlüssel ab und steckte ihn in die Brusttasche seiner Uniform. Er sah hinauf, dorthin, wo Musik erklang.
    »Wo ist der Aufzug?«
    »Sie müssen die Treppe nehmen. Nur die Familienangehörigen haben einen Schlüssel für den Lift.«
    »Wo kann ich mal telefonieren?«
    »Telefonieren?… In der Portierswohnung ist ein Telefon, aber das können Sie nicht benutzen. Abgeschlossen. Sie sind dort oben, wie ich schon gesagt habe, in Kostüm…«
    »Gut, gut.«
    Der Wachtmeister stieg ächzend die breite Steintreppe hinauf. Vielleicht war es nicht klug, daß Carabinieri und Sanitäter im Haus dieser Marchesa Soundso herumstiefelten, bevor sie überhaupt wußte, daß ihr Mann tot war, obwohl er es lieber einem Offizier oder einem Untersuchungsrichter überlassen hätte, die Dame zu informieren… worüber eigentlich? Wenn er selbst es tun mußte, dann sollte er unbedingt auf seine Formulierung achten. Ein Unglücksfall… wahrscheinlich war es das, wenn der Bursche sein Gewehr gereinigt hatte, kommt ja immer wieder vor. Aus einer Anzahl von Gründen, die in seinem Kopf schon ziemlich klar waren, glaubte er nicht, was er dachte. Er glaubte vielmehr… fälschlicherweise, wie sich zeigen sollte –, daß jeder Fall, bei dem es, wie hier, um hohe und einflußreiche Leute ging, ihm sofort abgenommen würde.
    »Uff!«
    Er hielt inne, um Luft zu holen, und wischte sich über die Stirn. Auf dem ersten Absatz des imposanten Treppenhauses hing eine geschnitzte Tafel mit dem gemalten Familienwappen an der Wand. Der Wachtmeister stieß darauf, als er um die Ecke bog, und blieb vor Überraschung wie angewurzelt stehen. Das Wappen war mindestens doppelt so groß wie er, und so, wie es etwas nach vorn geneigt an der Wand hing, wirkte es irgendwie bedrohlich. Noch immer erklang von oben her gedämpfte Musik. Der Wachtmeister setzte etwas atemlos seinen Aufstieg fort, und als er das erste Geschoß erreichte, blieb er stehen. Zu seiner Rechten und Linken waren hohe Flügeltüren. Die Musik kam von rechts. Ein Konzert, hatte Grillo gesagt. Er betrachtete die Klingel an der Wand, stellte sich vor, welche Störung sein Läuten verursachen würde. Auf einem Messingschild war in fein geschwungener Schrift der Name Bianca Maria Corsi Ulderighi Della Logghia eingraviert. Das muß sie sein – aber warum nur ihr Name? Was war mit ihrem Mann? Er war noch nicht tot, als dieses Namensschild angebracht wurde. Prinzgemahl, hatte Grillo gesagt… Verrückter Typ!
    Der Wachtmeister klingelte nicht. Wenn man es mit Leuten zu tun hatte, auf deren Türschild ein so langer Name stand, war man gut beraten, sich vorsichtig zu bewegen, oder man wachte eines Morgens auf und stellte fest, daß man an irgendeinen gottverlassenen Ort am anderen Ende der Halbinsel versetzt worden war. Er hob seine
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