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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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Fels.
    re:
    Bin ich. Ich werde auch gar nicht wie du. Sondern du wirst langsam wie ich.
    Was ich sehr, sehr schön finde.
    aw:
    Schwer vorstellbar, dass ich werde wie du.
    re:
    Du bist schon auffällig gefühlig geworden, mein Lieber. Weich, buttrig. Anna könnte dich auf eine Stulle schmieren und aufessen. Happ-happ. Happ-happ.
    aw:
    Maxim, du hast doch immer gepredigt: Öffne dich! Öffne dich! Und jetzt liege ich hier wie eine schüchterne Miesmuschel, die Schale auf zehn Grad geöffnet, und du rufst plötzlich: Schließen, schließen!
    re:
    Jochen, entscheidend ist doch nicht, was du mir sagst. Sondern was du Anna sagst. Was war bislang deine größte Gefühlsäußerung?
    aw:
    Keine Ahnung. Irgendwas Nettes. Aufmerksames.
    re:
    Gefühle, Jochen. Gefühle.
    aw:
    Hetz mich nicht. Ich denke ja nach …
    45 Minuten später
    aw:
    Ich habe Anna mal gesagt, dass ich sie echt gut finde, irgendwie.
    re:
    Jochen, was hast du genau zu ihr gesagt?
    aw:
    Â»Ich finde dich echt gut, irgendwie.«
    re:
    Entschuldige, Jochen, ich habe ein bisschen mit der Antwort gebraucht, weil ich lachen musste. Sehr lange lachen. Das nennst du eine Gefühlsäußerung? Selbst ein Speiseeis hätte Anspruch auf Mitleid, wenn es so begehrt werden würde. Komm, wir üben jetzt mal. Denk dran, wir sind allein. Keiner kann uns hören. Wir sitzen in einer großen, dunklen Bar. Und jetzt flüsterst du mir ins Ohr, was du wirklich für Anna empfindest. Ich werde es ihr nie sagen. Ich werde es sogar gleich vergessen. Wenn du willst, halte ich mir sogar die Ohren zu. Es geht nur darum, dass du es sagst, verstehst du? Also, komm, einen echten Gefühlssatz …
    aw:
    Â»Schön. Von innen und von außen. Von hinten und von vorne. A-N-N-A. «
    re:
    Geht doch. Schon besser. Aber noch nicht gut. Stelle dir Anna vor, visualisiere sie und versuche das Maximum dessen, was du für sie empfindest, in schöne, warme, ergreifende Worte zu kleiden. In Liebesworte.
    aw:
    Das ist das Maximum. Heute, 17.49 Uhr. Sehr viel Maximum, ein ungewöhnliches Maximum. Das maximalste Maximum der vergangenen zehn Jahre. Maximaler geht nicht. Sorry.

Tag 4 1 –Letzter Tag
    An dem Männer in Entdecker und Erhalter eingeteilt werden und der Wunsch geäußert wird, noch einmal 18 Jahre alt zu sein
    Lieber Maxim, was ist aus der Sehnsucht geworden? Du erinnerst dich? Hast du irgendwas gefunden?
    aw:
    Lieber Jochen, als ich gestern Abend im Bett lag, habe ich tief in mich hineingehorcht. Ich ließ einen Scheinwerfer über meine Seele gleiten. Aber nicht die kleinste Sehnsucht wollte sich zeigen. Ich ermahnte mich, ruhig zu bleiben. Vielleicht ist es wie beim Angeln, sagte ich mir, man muss Geduld haben, und irgendwann hängt die Sehnsucht am Haken. Dann fiel mir aber ein, was der große Sehnsuchtsmeister Jochen mir immer wieder gesagt hatte: »Du musst unruhig werden, Maxim!« Ich versuchte es, aber mir fällt es schwerer, unruhig zu werden, als ruhig zu werden.
    Du hast mich unter Druck gesetzt. Auf einmal denke ich, dass mir was fehlt. Ich spüre einen ähnlichen Druck wie früher im Musik unterricht, wenn wir über unsere Gefühle beim Hören der Egmont- Ouvertüre reden sollten. Ich konnte das nicht. Ich konnte sagen, ob mir die Musik gefällt oder nicht. Ob sie mir zu leise ist oder zu laut. Aber den Instrumenten eine Stimmungsfarbe geben und sie mit den Farben der eigenen Gefühle vergleichen, wie unser Musiklehrer von uns verlangte, das vermochte ich nicht. Vielleicht habe ich einen angeborenen Gefühlsdefekt, ein Sehnsuchtsdefizitsyndrom?
    Sehnsüchtige Menschen sind für mich Menschen, denen etwas fehlt. Die ihr Glück in der Zukunft suchen. Sehnsucht ist mir als Gefühl eher unheimlich.
    Gerade fällt mir etwas ein: Vielleicht hat die eheliche Arbeitsteilung dazu geführt, dass ich mich für Erfüllungen, Lösungen und Stabilität zuständig fühle – nicht für Sehnsüchte.
    Ich bin der Produzent positiver Gefühle, der Hausmeister der guten Laune. Dieses Amt hat ein Korsett geschaffen, das mich zufrieden, aber auch begrenzt hält. Ich glaube, es gibt zwei Prototypen von Männern: die Entdecker und die Erhalter. Du, Jochen, segelst auf den Weltmeeren deiner Seele, versuchst noch in die entlegensten Winkel vorzudringen. Und ich schaue, dass der Laden irgendwie läuft. Ohne Typen wie dich, wäre Amerika nie entdeckt
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