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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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ob du Sehnsucht nach dem Alleinsein hast. Hast du überhaupt Sehnsucht? Nach irgendwas?
    re:
    Sehnsucht? Tja, muss ich mal nachdenken. Ich gehe mal kurz in den Garten …
    Vierzig Minuten später
    aw:
    Du stehst jetzt schon zwei Stunden im Garten, wahrscheinlich neben deinem Ranunkelbusch. Und …?
    re:
    Entschuldigung, hat ein bisschen gedauert. Manche Sehnsucht versteckt sich. Also: Ich sehne mich immer mal wieder danach, in einem fremden Land zu leben. In Amerika oder in Australien zum Beispiel. Ich würde gerne mehr von der Welt sehen. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob ich wirklich so viel sehen will oder ob ich nur denke, ich müsste viel von der Welt sehen. Es gibt ja Erwartungen, die man an sich selber hat. Aber ich könnte mir eine Weltreise vorstellen, irgendwann. Eine Weltreise in Etappen, zusammen mit Catherine.
    aw:
    Lieber Maxim, du stehst zwei Stunden am Ranunkelbusch und zwingst dich, über Sehnsucht nachzudenken, und dann fällt dir ein: Weltreise? In Etappen? Ich ahne, dass auch die Weltreise keine allzu große Sehnsucht von dir ist. Eher ein Sehnsuchtswunsch, der sehnsuchtsvoll klingt, sodass niemand denkt, du hättest nicht wenigstens eine Sehnsucht. Gibt es wirklich nichts, was dich lockt, reizt, unruhig macht?
    re:
    Ich denke noch mal nach.
    aw:
    Ja, geh doch mal zum Fliederbusch, zur Abwechslung.

Tag 40
    An dem von einer schlaflosen Nacht in Nizza berichtet wird und das Äußern von Gefühlen geübt wird
    Lieber Jochen, während ich seit Tagen meine Sehnsüchte suche und nichts von dir höre, fällt mir ein, dass ich dir noch gratulieren wollte. Anna und du, ihr seid ja jetzt zusammen. Du bist nicht mehr Single. Herzlichen Glückwunsch! Ich möchte leise anmerken, dass ich sehr stolz auf dich bin. Und auf mich. Haben meine Worte, mein positives Lebensbeispiel also doch reife Früchte getragen.
    Willkommen in Pärchencountry!
    aw:
    Anna und ich sind nicht zusammen.
    re:
    Ich dachte?
    aw:
    Ich habe nur gesagt, Anna hätte gesagt, dass wir zusammen sind. Das heißt aber nicht, dass ich sage, dass wir zusammen sind.
    re:
    Was seid ihr denn nun? Halb zusammen? Du bist ihr Freund, aber sie ist nicht deine Freundin? Du hast nur Angst vor dem Begriff, Jochen: »zusammen sein«. Der kommt übrigens vom Zusammensein. Wie oft seid ihr denn zusammen?
    aw:
    Ã–fter.
    re:
    Wann zuletzt?
    aw:
    Am Wochenende. Wir waren in Nizza.
    re:
    Nizza! Der Hafen der Leidenschaft!
    aw:
    Halt die Klappe.
    re:
    Das Liebesnest der Turteltauben!
    aw:
    Ich war krank.
    re:
    Nächte voller Sinnlichkeit an der Côte d’Azur!
    aw:
    Und Anna hatte ihre Tage.
    re:
    Oh, Jackpot. Hättest du ja in den Spreewald fahren können.
    aw:
    Wir waren zum ersten Mal vier Tage am Stück zusammen. Rekord.
    re:
    Bravo!
    aw:
    Ich vermisse dein väterliches Feingefühl.
    re:
    Vier Tage sind für mich nur ein winziger Pups in der Paargeschichte. Aber ich bin trotzdem sehr stolz auf dich. Bravo!
    aw:
    Ich war stark erkältet. Ich schniefte, hustete, mein Hals kratzte, und meine Nase war rot wie ein Pavianarsch. Ich konnte nachts nicht schlafen und Anna auch nicht, weil jedes Husten in ihren Ohren klingt wie MG -Feuer. (Sie hat die empfindlichsten Ohren der Welt.) Wir lagen wach, um vier Uhr morgens. Das heißt: Noch lange drei Stunden, bis der Tag beginnt. Und kaum Chancen, noch mal richtig einzuschlafen. Also erzählte ich Geschichten, wahre und erfundene. Über Krankheiten, Ost-Berlin und die Lieder, die wir in der Schule gelernt haben. Ich sang, krächzte: »Ich trage eine Fahne« in diesem Hotelbett an der Côte d’Azur nachts um vier. Anna lachte, sang mit, erzählte von den Gnocchi ihrer 95-jährigen brasilianischen Großmutter, der Waldorfschule in Hannover und irgendwas, was ich schon wieder vergessen habe. Wir lachten, darüber, dass wir wie Oma und Opa im Bett liegen, schlaflos, sexlos. Wir überlegten, ob wir Sex haben sollten, aber in meinem Hals hingen Dinge, die nicht sexy waren, und es wäre irgendwie auch Versehrtensex gewesen. Trotzdem war es ein intimer Moment, eine intime Nacht, die in gewisser Weise meine aufregendste Nacht seit Langem war.
    re:
    Ja, sehr aufregend. Und auf der nächsten Reise massiert ihr euch nachts die Füße mit Kampferöl, kämmt euch gegenseitig die Haare und spielt Canasta.
    aw:
    Du bist zynisch. Das ist mein Job, okay? Du bist Vater Leo, der großherzige, kinderreiche, monogame
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