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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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wurde. So wie es ja auch nur ein Zufall ist, dass Keith Richards auf den Fidschiinseln von einer Palme fiel, als er 62 wurde.
    Aber ganz ehrlich: Es ist kein Zufall.
    Im Dezember 2010 saßen wir in einem Restaurant einem Mann gegenüber, der unser Buch verlegen wollte. Wir erklärten ihm unsere Idee, und dem Mann schien die Idee zu gefallen. Er hatte sogar noch eine andere Idee.
    Â»Ihr macht ein Experiment«, sagte der Verlagsmann. »Das längste Männergespräch der Welt. Total offen, intim, ehrlich. Ohne Tabus.«
    Â»Aha«, sagten wir.
    Â»Ihr als Fastzwillinge seid doch die perfekte Besetzung für dieses Experiment. Klar, oder? Ihr seid vergleichbar. Und irgendwie repräsentativ. An euch kann man sehen, wie der Mann sich unter verschiedenen Lebensbedingungen entwickelt. Wohin er geht. Was aus ihm wird.«
    Der Verlagsmann schaute uns an wie Laborraten.
    Â»Zwei Monate wären gut«, sagte er. »Das gab es noch nie. Zwei Männer, zwei Monate. Klingt auch super. Könnte der Titel sein.«
    Â»Wir sollen zwei Monate miteinander reden?«, fragten wir.
    Â»Genau«, sagte der Verlagsmann und trank einen Schluck Rotwein.
    Wir hatten kein gutes Gefühl. Worüber sollten wir zwei Monate miteinander reden? Männergespräche haben einen schlechten Ruf. Zu wortarm, zu themenarm, zu gedankenarm, zu gefühlsarm. Alles arm. Wahrscheinlich stimmt der Ruf. »Nur Frauen können zwei Monate miteinander reden«, sagten wir.
    Der Verlagsmann lehnte sich zurück. »Das ist ja der Knüller«, sagte er. »Ihr sollt gar kein Männergespräch führen, sondern ein Frauengespräch.«
    Â»Aha«, sagten wir.
    Der Verlagsmann schloss die Augen. »Schließt die Augen«, sagte er. »Und dann denkt an eine Bar, spät in der Nacht, in der zwei Männer sitzen und miteinander reden. Zwei Männer, die so alt sind wie ihr. Zwei mittelalte Männer in der Stadt. Sie erzählen, woran sie glauben, worauf sie hoffen, was sie ersehnen, wen sie lieben, was sie hassen, was sie glücklich macht, was sie einsam macht. Sie reden über das Alter, über Sex, über Frauen, über Kinder, über Treue, über Freundschaft, über Ängste, über die Rasur entlegener Körperstellen und tausend Dinge mehr, die sich ergeben, wenn so ein Gespräch in Gang kommt. Klar, oder?«
    Wir nickten. Nickten wir?
    Der Verlagsmann schrieb etwas auf seinen Zettel. Vermutlich: »Autoren werden ein Frauengespräch führen, sind aber Männer. Knüller!!«
    Dann bestellte er sich zufrieden ein zweites Glas Rotwein.
    Im Februar 2011 aßen wir in einem Steakhaus und klopften ein letztes Mal die Regeln ab, die wir uns aufgestellt hatten. In den nächsten zwei Monaten würden wir uns E-Mails schreiben. Wenn möglich täglich. Außer an Wochenenden und wenn wir auf Reisen wären. Jede E-Mail, jede Frage, muss beantwortet werden. Jede andere Kommunikation zwischen uns ist für zwei Monate verboten. Also kein Telefonat, kein Treffen – nur die E-Mails. Damit alles, was es zu sagen gibt, aufgeschrieben wird. »Wir öffnen unsere Herzen wie eine Motorhaube und schauen nach, was wir für Männer geworden sind und wie der aktuelle Lebenszustand ist«, sagte Maxim.
    Â»Ja, klar«, sagte Jochen.
    Wir hatten ein ungutes Gefühl.
    Und Schiss. Riesenschiss.

Tag 1
    An dem ein Interview mit einer chinesischen Männerzeitschrift abgesagt wird und die ersten Zweifel geäußert werden
    Guten Morgen, Jochen, es ist neun Uhr, ich sitze an meinem Schreibtisch und bin bereit. Lass uns reden. Es gibt sicherlich viel zu besprechen. Ich bin gespannt. Ich freue mich auf unsere intensive Zeit. Auf dieses lange Männergespräch. Also, los geht’s!
    Vielleicht solltest du anfangen. Sicher hast du viele, viele Fragen an mich. An mein Leben. Was willst du wissen?
    Dreißig Minuten später
    Lieber Jochen, denk nicht lange nach. Spring einfach rein in unser Gespräch! Frag mich, wenn dir nichts Besseres einfällt, ruhig erst mal irgendwas Kleines, Belangloses, damit wir ins Plaudern kommen. Bleib locker. Lass dich treiben von unserem Gespräch. Ich sitze hier und warte.
    Zwanzig Minuten später
    Jochen, soll ich dir eine Frage vorschlagen? Du könntest mich fragen, wie es mir geht heute Morgen. Wie wäre das? Ich kann dich aber auch fragen, wie es dir geht heute Morgen, wenn dir das hilft. Okay? Wie geht es dir heute Morgen,
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