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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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Jochen?
    Fünfzehn Minuten später
    Jochen, hast du Probleme mit dem Internet? Ich habe dir schon drei Mails geschickt. Wir hatten gesagt, heute um neun Uhr Arbeitsbeginn. Was ist los?
    Ich hatte dir auch bereits eine Frage gestellt, zu deinem Leben. Sie lautet: Wie geht’s dir eigentlich heute Morgen? Melde dich, bitte!
    Vierzig Minuten später
    aw:
    Lieber Maxim, ich bin noch beim Zahnarzt. Tut mir leid. Melde mich.
    Eine Stunde später
    aw:
    Lieber Maxim, ich bin zurück. Aber wollen wir nicht einfach morgen anfangen?
    Merkt doch keiner. Was meinst du? J.
    re:
    Jochen, ich sitze den ganzen Vormittag hier rum, ich warte auf unser Gespräch, ich warte auf dich, Jochen, und du sagst, wir fangen morgen an? Nein! Wir fangen jetzt an. Stell mir eine Frage. Irgendeine.
    aw:
    Okay, okay. Ich denke nach.
    re:
    Nein, nicht nachdenken! Fragen! Aus dem Bauch heraus.
    aw:
    Aber hat das alles wirklich Sinn, Maxim? Du, ich, dieses ganze Experiment. Zwei Männer, die zwei Monate lang reden. Der Verlagsmann sagt, das gab es noch nie. Hast du dich mal gefragt, warum?
    re:
    Jochen, was ist los? Du kannst jetzt nicht alles infrage stellen. Ich habe zwei Monate freigenommen, ich habe einen Vertrag unterschrieben, ich habe meinen Vorschuss schon ausgegeben. Wir müssen jetzt dieses Buch schreiben!
    aw:
    Du hast den Vorschuss schon ausgegeben? Wofür?
    re:
    Ein Klavier für meine Tochter. Aber das ist doch nicht der Punkt. Ich habe wirklich große Lust, dieses Buch zu schreiben.
    aw:
    Große Lust, Maxim? Hast du dir mal die Verlagsankündigung angesehen?
    Ich zitiere: »Ein überzeugter Single und ein tapferer Familienvater führen einen heiter-verrückten Schlagabtausch der Argumente. (…) Beide Männer gehören zur Generation der 40-Jährigen, sie sind die ersten Erwachsenen der Nullerjahre, und in der Mitte des Lebens angekommen. Von dort schauen sie zurück. Und nach vorne. Sie streiten lustvoll und tabulos über ihre Rolle als Mann, aber immer mit einem Augenzwinkern (…).«
    Wer schreibt so einen Quatsch, Maxim? Warum bin ich »ein überzeugter« Single? Man kann überzeugter Kommunist sein, überzeugter Vegetarier, überzeugter Atomkraftgegner oder überzeugter Arschkriecher. Überzeugung setzt ein Mindestmaß an Weltanschauung voraus. Das Singledasein ist aber keine Weltanschauung, sondern ein Zustand, vermischt mit etwas Lebensgefühl. Ein temporärer Zustand. So wie Blitzeis. Oder Softeis. Ich mag das Wort Single auch nicht. Es klingt zu 80 Prozent nach Verzweiflung. Ich bin vorübergehend alleinerziehend – nur ohne Frau und Kind. Und: Warum bist du ein »tapferer Familienvater«, Maxim? Ich bin tapfer! Mein Leben ist tapfer! Und: Wenn ich jemals heiter-verrückt bin und mit einem Augenzwinkern schreibe, dann gebe ich mir die Kugel.
    re:
    Lieber Jochen, vergiss die dämlichen Adjektive, konzentriere dich auf das Wesentliche – unser Projekt. Es geht doch um uns, zwei Männer, die irgendwann an einer Kreuzung standen und in verschiedene Richtungen gingen. Vielleicht waren es auch zwei Kreuzungen. Oder drei. Du weißt, was ich meine. Die beiden Typen sind jetzt vierzig. Und ob dir das gefällt oder nicht, du bist einer von denen – auch dein Leben ist zur Hälfte rum, selbst wenn du so lebst und dich offenbar auch so fühlst, als hättest du gerade Abitur gemacht.
    Du schreibst, Single-Sein wäre ein temporärer Zustand. Das Heilige Römische Reich war auch ein temporärer Zustand, etwa achthundert Jahre lang. Ähnlich lang erscheint mir die Zeit, in der du »vorübergehend« alleine lebst. Wo ist deiner Meinung nach die Grenze zwischen »gerade mal allein« und »wahrscheinlich nie wieder zusammen«? Das schreibe ich dir mit einem lustvollen Augenzwinkern und hoffe, dass du dir nicht gleich die Kugel gibst.
    aw:
    Lieber Maxim, ich bin nur genervt. Es gibt gerade so eine Welle. Alle wollen wissen, warum ich Single bin. Wie man als Single lebt, wie man sich als Single fühlt. Nur weil ich eine Zeit lang in der Zeitung über mein Leben als Single geschrieben habe. Vor ein paar Tagen fragte die chinesische GQ bei mir an. (Das ist eine Männerzeitschrift, Maxim. So eine Art Playboy .) Sie machen eine Geschichte über die »Singlestadt Berlin« und sind dabei auf mich gekommen. Ich meine, irgendwo in Peking oder Shanghai sitzen ein paar chinesische GQ -Redakteure in einer
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