Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0872 - Die Urbanen

0872 - Die Urbanen

Titel: 0872 - Die Urbanen
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
»Guter Mann, ich glaube, ich muss Ihnen hier einmal etwas erklären…«
    Kein guter Satz. Nein, wirklich kein guter Anfang für eine wohl längere Ansprache. Ganz besonders dann, wenn sie von Doktor Artimus van Zant kam.
    Der Südstaatler setzte sich in Positur, dann blickte er mit ernstem Gesicht zu dem Ober, der mit leicht arroganten Gesichtszügen die Beschwerde seines Gastes erwartete.
    Genau diese Blasiertheit war es, die van Zant ihm austreiben wollte.
    Wieder einmal war er alleine losgezogen. Selbstmitleid war nicht Artimus' Ding, doch manchmal stimmte es ihn doch mehr als nur nachdenklich, dass er seine knappe Freizeit meist alleine verbrachte.
    Bindungen? Wie sollten die wohl aussehen, wenn man bei Tendyke Industries mehr als ausgelastet war - und so ganz nebenbei ein außergewöhnliches Ziveitleben führte. Wobei das wohl noch untertrieben war, wenn man zum Team des Professor Zamorra gehörte, sich mit den Wesen der Hölle und außerirdischem Leben herumschlug… und so ganz nebenbei noch Krieger einer weißen Stadt war.
    Heute war Artimus ganz einfach nach einem ordentlichen Essen zumute gewesen. Seltsam, aber auch wenn er ein Genussesser erster Kategorie war - wobei das Zauberwort Fleisch lautete so wenig interessierte er sich für die Tätigkeit des Kochens. Er wollte im Grunde überhaupt nichts über die Geheimnisse der großen Köche erfahren. Er wollte deren Kunst nur genießen. Davon allerdings möglichst oft und möglichst viel.
    Irgendwie war er in diesen Gourmettempel geraten. Pomp und Samt, wohin man auch sah. Nicht so ganz das Ambiente des Doktor van Zant… doch der Hunger verbot eine weitere Suche nach Fleisch. Artimus hatte die Karte studiert, die auf feinstem Büttenpapier gedruckt… nein: handgeschrieben war! Das hatte die ersten Skepsisfalten auf die Stirn des Physikers getrieben.
    Er hatte sich schließlich für ein Gericht entschieden, bei dem ihm der Begriff Filet außerordentlich zugesagt hatte - was da sonst noch so alles stand, nun, das waren sicher irgendwelche Beilagen und Gewürze, die er dulden wollte.
    Dann, nach einer Wartezeit, die in trommelnden Fingern auf der Damastdecke des Tisches gemündet hatte - kam der Teller. Serviert von einem Lackel, der exakt in diese Umgebung passte. Van Zant schluckte die Ungeduld wortlos, denn alles hier mochte verzeihlich sein, wenn das Essen seinen Erwartungen entsprach. Wenn er sich dabei an den Preisen orientierte, dann sollte dies durchaus der Fall sein.
    Gut eine Minute lang starrte van Zant auf den großen Teller, dessen Goldrand ihn irgendwie hämisch anblitzte. Dann griff Artimus nach der Gabel und begann mit der Suche…
    Artimus war nicht mit der unendlichen Geduld eines Goldsuchers vom Klondyke gesegnet. Er trennte Gut und Böse nur ganz grob… und das Ergebnis war niederschmetternd!
    Der Begriff Filet stammte aus dem Französischen und bedeutete soviel wie »Dünner Faden«. Gut, von diesem Standpunkt aus betrachtet mochte man das als okay betrachten können, was van Zant vor sich sah: Die gesamte rechte Seite seines Tellers war bedeckt mit feinen Kartoffeln und irgendwelchen Gestrüppsorten, die der Physiker nicht einzeln zu benennen wusste. Auf der linken Seite hingegen sah man die Fleischausbeute… und die bestand aus zwei »dünnen Fäden«. Die Geduld des Südstaatlers endete nun endgültig. Vielleicht ein wenig lauter als notwendig beorderte er den Ober an seinen Tisch.
    Es war nur eine kurze Frage, die van Zant zu stellen hatte - wo war das restliche Fleisch geblieben? Die Antwort kam nasal-nuschelnd, von oben herab und absolut indigniert daher.
    »Sie sehen es direkt vor sich, mein Herr. Feinstes Schweinefilet - beste Qualität und ausreichend in seiner Quantität.«
    Das waren die Worte, die den Beginn von van Zants Ansprache herausgefordert hatten.
    »Guter Mann, ich glaube, ich muss Ihnen hier einmal etwas erklären. Sehen Sie mich einmal an.« Bei diesen Worten erhob der Doktor sich von dem Stuhl, der erleichtert durchzuatmen schien, als das Gewicht des Mannes von ihm genommen wurde. Mit seinen 195 Zentimetern überragte Artimus den Ober um einen ganzen Kopf. »Was sehen Sie? Einen Hungerleider? Einen Asketen? Ein Knochengerüst mit Haut? Oder sehen Sie einen leicht übergewichtigen Mann, dessen Magen vor Hunger bereits Konzerte anstimmt? Was meinten Sie mit Quantität ? Doch wohl nicht diese erbärmlichen Reste dort, die kein Hund, der etwas auf sich hält, als Leckerli akzeptieren würde?«
    Bei jedem Wort war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher