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Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)

Titel: Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Autoren: Ally Condie
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Die Geschichte des Steuermannes
Ein Mann wälzte einen Felsen den Berg hinauf. Als er den Gipfel erreichte, rollte der Stein wieder hinunter an den Fuß des Berges, und er begann von vorn. Die Leute im nahen Dorf wussten davon. Sie glaubten, es sei eine Strafe. Nie leisteten sie ihm Gesellschaft oder halfen ihm, denn sie fürchteten jene, die die Strafe verhängt hatten. Er wälzte. Sie sahen zu.
Jahre später bemerkte eine neue Generation, dass der Mann und sein Stein allmählich im Berg versanken, so wie Sonne und Mond am Horizont untergingen. Sie konnten den Mann, der den Stein zum Berggipfel hinaufrollte, kaum noch erkennen.
Ein Mädchen wurde neugierig und wanderte den Berg hinauf. Als sie sich dem Mann näherte, sah sie zu ihrem Erstaunen, dass der Stein mit Namen, Daten und Ortsnamen bedeckt war.
»Was haben diese Worte zu bedeuten?«, fragte das Kind.
»Das sind die Sorgen der Welt«, antwortete der Mann. »Ich wälze sie immer wieder den Berg hinauf.«
»Sie benutzen sie, um den Berg auszuhöhlen«, stellte das Kind fest, als es die tiefe Furche betrachtete, die der Stein hinterlassen hatte.
»Ich erschaffe etwas«, entgegnete der Mann. »Wenn ich fertig bin, bist du an der Reihe, meinen Platz einzunehmen.«
Das Mädchen hatte keine Angst. »Was erschaffen Sie?«, fragte es.
»Einen Fluss«, sagte der Mann.
Das Kind ging den Berg hinunter und fragte sich, wie man einen Fluss erschaffen konnte. Doch nicht lange darauf, als die Regenzeit einsetzte, die Flut durch die Furche schoss und den Mann mit sich riss, übernahm sie seine Aufgabe, rollte den Stein und wies den Sorgen der Welt ihren Platz und Weg.
Das ist die Entstehungsgeschichte des Steuermanns.
Der Steuermann ist ein Mensch, der einen Stein wälzte und vom Wasser fortgerissen wurde. Der Steuermann ist jemand, der den Fluss überquerte, indem er sich von den Gestirnen leiten ließ. Der Steuermann hat kein Alter. Seine Augen und seine Haare schimmern in jeder erdenklichen Farbe. Er lebt in Wüsten, auf Inseln, in Wäldern, auf Bergen und in den Ebenen.
Der Steuermann führt die Erhebung an – die Erhebung gegen die Gesellschaft – und der Steuermann stirbt nie. Wenn die Zeit eines Steuermanns vorüber ist, übernimmt ein anderer seine Aufgabe.
Und so geht es immer weiter, wie ein Stein, der immerfort rollt.
An einem Ort jenseits der Grenzen auf der Landkarte der Gesellschaft wird der Steuermann ewig leben und lenken.

Erster Teil
    Der Pilot

Kapitel 1
Xander

    Jeden Morgen geht die Sonne auf, färbt die Erde rot, und ich denke: Dies könnte der Tag sein, an dem sich alles ändert. Vielleicht wird heute die Gesellschaft fallen. Doch dann bricht erneut die Nacht herein, und wir alle warten noch immer. Doch ich weiß: Der Steuermann ist real.
    Bei Sonnenuntergang nähern sich drei Funktionäre dem Eingang eines kleinen Hauses. Das Haus gleicht zum Verwechseln allen anderen in der Straße: zwei Läden an jedem der drei Fenster auf der Vorderseite, eine Eingangstreppe mit fünf Stufen und ein kleiner, stacheliger Dornenbusch rechts neben dem Gartenweg.
    Der älteste Funktionär, ein Mann mit grauem Haar, hebt die Hand, um anzuklopfen.
    Eins. Zwei. Drei.
    Die Funktionäre stehen so dicht vor der Glasscheibe, dass ich das aufgenähte Abzeichen auf der rechten Uniformbrusttasche des jüngsten Funktionärs erkennen kann. Es ist leuchtend rot und sieht aus wie ein Blutstropfen.
    Ich lächle. Er auch. Denn der Funktionär bin ich.
    Früher wurde die Ernennung zum Funktionär mit einem großen Fest und einer Zeremonie in der Stadthalle gefeiert. Die Kandidaten brachten ihre Eltern, Partnerinnen oder Partner mit. Aber die Ernennungsfeierlichkeit ist keine der drei großen Zeremonien – wie das Willkommensbankett, das Paarungsbankett oder das Abschiedsbankett –, und so ist sie nicht mehr das, was sie einmal war. Die Gesellschaft versucht zu sparen, überall da, wo es möglich ist. Und sie gehen wohl davon aus, dass angehende Funktionäre loyal genug sind, sich nicht darüber zu beschweren, dass ihre Zeremonie etwas von ihrer Festlichkeit einbüßt.
    Bei meiner Ernennung stand ich dort zusammen mit vier anderen, jeder von uns in einer neuen weißen Uniform. Der Oberfunktionär heftete mir mein erstes Abzeichen an: den roten Kreis, der das Gesundheitsministerium repräsentiert. Dann schworen wir alle den Eid auf die Gesellschaft, wobei unsere Stimmen unter der Kuppel des fast leeren Saales widerhallten, und versprachen, unser von der Gesellschaft ermitteltes
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