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Sprechende Maenner

Sprechende Maenner

Titel: Sprechende Maenner
Autoren: Maxim Leo , Jochen-Martin Gutsch
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Redaktionskonferenz. Der Chefredakteur, Herr Peng, sagt: »Leute, was haben wir? Irgendwelche Ideen zu der Berlin-Geschichte?«
    Schweigen. Dann meldet sich Herr Cheng, der vielleicht mal Deutsch landkorrespondent war. Herr Cheng sagt: »Wir könnten Gutsch fragen. Gutsch ist Berliner, und er ist Single.«
    Â»Ist das sicher?«, fragt Chefredakteur Peng.
    Â»Oh ja, das ist sicher«, sagt Redakteur Cheng. »Mao mag sterben, die Berliner Mauer mag fallen. Aber dass Gutsch kein Single mehr ist: sehr, sehr unwahrscheinlich.«
    Ich habe das Interview abgesagt.
    re:
    Wieso hast du das Interview abgesagt? Du hättest unser Buch erwähnen können. Ich meine, China, Jochen! Milliarden von Menschen, Milliarden Frauen, Milliarden potenzielle Leser.
    aw:
    Lieber Maxim, mit fehlt die Lust. Mir geht es gut, aber ich habe ständig das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. Über Probleme reden zu müssen, die ich gar nicht habe. Ich bin nicht einsam, nicht frustriert, nicht ungeliebt. Nur weil ich keine Kinder, keine Ehe, keine Beziehung habe. Mein Alleinsein ist temporär – seit acht Jahren. Gut, es sind neun. Es füllt damit exakt die Zeit zwischen meinem 30. und 39. Lebensjahr. Neun temporäre Jahre. Aber Ehen sind ja auch meist temporär. Bis auf deine natürlich.
    Wie lange bist du eigentlich schon verheiratet?
    re:
    Sehr gut, Jochen.
    aw:
    Was?
    re:
    Du hast mir gerade eine Frage gestellt. Wir reden.

Tag 2
    An dem eine Frau gefunden wird und eine andere verloren geht
    Lieber Jochen, ich bin seit siebzehn Jahren mit Catherine zusammen, seit dreizehn Jahren verheiratet. Glücklich verheiratet. Ich erwähne das, weil manche Leute verwundert reagieren, wenn sie hören, dass wir so lange zusammen sind.
    aw:
    Siebzehn Jahre, Maxim. Ich bin verwundert! Du bist fast doppelt so lang zu zweit, wie ich alleine bin. Ich kenne niemanden, außer meinen Vater, der so lange mit einer Frau zusammenlebt. Und mein Vater zählt nicht. Er ist 77.
    re:
    Ich kann mich kaum noch an die Zeit erinnern, als ich ohne Frau gelebt habe.
    aw:
    Ich kenne dich nur verheiratet. Als Vati. Warst du mal anders? Jemand wie ich vielleicht?
    re:
    Jemand wie du? Schwer zu sagen. Ich kann, das war schon immer mein Problem, nicht gut allein sein. Ich saß oft zu Hause mit einer brennenden Leere im Magen. Ich musste dann los, raus in die Welt rennen und jemanden finden. Ich glaube, ich hatte damals überhaupt keinen Plan, ich war getrieben von diesem Magenbrennen.
    aw:
    Brennende Leere im Magen? Eine Art Gastritis?
    re:
    Ich kann das nicht besser beschreiben. Ich hatte ein Bedürfnis nach Nähe und konnte gleichzeitig nicht damit umgehen. Ich hatte viele Frauen damals, aber bei keiner blieb ich lange. Ich erinnere mich an eine Nacht im Sophienclub in Berlin, Sommer 1994. Ich ging dort allein hin, um mal wieder eine Frau abzuschleppen. Ich weiß noch, dass die Eroberung keinen Spaß machte, das Ziel war so kühl berechnet. Irgendwann bin ich mit einer kleinen, blonden Frau bei mir zu Hause gelandet, wir waren im Bett, und ich war wie immer viel zu aufgeregt, um es genießen zu können. Als es draußen hell wurde, hielt ich ihr einen Zwanzigmarkschein hin. Fürs Taxi. Ich wollte, dass sie abhaut.
    Sie weinte und lief davon.
    Am nächsten Tag beschloss ich, kein Arschloch mehr zu sein.
    aw:
    Das hast du einfach beschlossen? Ich, Maxim Leo, will kein Arschloch mehr sein.
    re:
    Ja.
    aw:
    Ja? Wie wird man arschlochfrei?
    re:
    Ich fühlte mich unwohl. Ich schätze, ich wollte eine Art Fastenzeit machen. Keine Frauen, kein Unwohlsein. Ich wollte zu mir kommen. Eine Reinigung, verstehst du?
    aw:
    Verstehe. Und dann bist du ins Kloster, hast dich über die Streckbank gelegt, und dann kam der kleine, dicke Franziskanermönch …
    re:
    Nein, ernsthaft. Ich habe ständig nach Frauen gejagt, die ich gar nicht wollte. Die mir nichts bedeuteten. Mit denen ich nichts anfangen konnte. Vielleicht, weil ich mit mir selbst nichts anfangen konnte.
    aw:
    Klingt nach Teufelsaustreibung.
    re:
    Ein paar Monate später lernte ich Catherine kennen. Sie sagte, sie hätte keine Lust auf einen selbstverliebten Typen wie mich. Sie schickte mich weg, ich könne wiederkommen, wenn ich ein paar Sachen im Leben kapiert hätte. Wenn ich kein Arschloch mehr sei. Sie war die erste Frau, die so mit mir gesprochen hat. Die erste Frau, die mich nicht gleich wollte. Und das fand ich toll. Beknackt, oder?
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