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Familienpackung

Familienpackung

Titel: Familienpackung
Autoren: Susanne Fröhlich
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Tag 1
    Herr Barts ist da. Was für ein Mann. Schmale Hüften, dunkles Wuschelhaar und ein absolut wahnsinniges Strahlelächeln: »Guten Morgen, Frau Schnidt«. Wie der mich angrinst. Ich bin hin- und hergerissen. Gut, dass ich mir heute Morgen die Haare gewaschen habe. Es gibt doch noch sinnvolle Eingebungen.
    Was wäre, wenn ich ihn, anstatt »Guten Morgen« zu sagen, einfach gegen die Hauswand drücken, meinen Körper an seinen pressen würde und dann: ab geht’s. Wir würden mit Glück noch die Haustür zuziehen können und es sicher nicht mehr bis zum Schlafzimmer schaffen. Dann würden wir es treiben, bis wir vor Ermattung fast bewusstlos wären.
    »Schnidt, deine Hormone, du bist fremdgesteuert, komplett wahnsinnig«, besinne ich mich und ordne mein Leben, wenigstens im Kopf. Ich bin eine verheiratete Frau im Reihenmittelhaus, mein Mann arbeitet und ich lasse mich kurz vor dem Mittagessen von meinen Trieben steuern. Wie weit bin ich gesunken? Kommt das durch fehlende Kohlenhydrate, ist es die Reihenhausluft, sind es Stoffe im Trinkwasser oder was läuft da in meinem Körper?
    Ich meine, Herr Barts kommt von den Stadtwerken und will den Strom ablesen. Herr Barts ist ein mir völlig fremder Mann und sein Erscheinen heute Morgen hier an meiner Haustür ist trotzdem das Ereignis der Woche. Ein gut aussehender Mann hier inmitten der Legginsfront. Ein Mann, der nicht in eines der kleinen Häuschen gehört. Ein Mann,
der lacht und sich sichtlich freut, mich zu sehen. Reicht das schon für überschäumende Begierde? »Guten Morgen«, stammle ich mit leichter Verzögerung und ziehe die Haustür zu. Jetzt habe ich den Kerl schon mal im Flur. Einen Schritt nach dem anderen.
    »Frau Schnidt, wo ist denn nun der Stromzähler?«, will Herr Barts wissen. »Im Keller«, stammle ich und hoffe, dass Herr Barts nur Stromzähler, nicht aber Gedanken lesen kann. Meine Güte, was für eine peinliche Vorstellung. Ich habe garantiert einen knallroten Kopf. Er folgt mir in den Keller. Er riecht gut. Strotzt nur so vor Testosteron. Was würde ich tun, wenn er mir jetzt von hinten an meine empfindsamen Körperteile fassen würde? Mich auf den Trockner werfen und sich seine verdammt enge Levis runterstreifen? Oder gibt’s das nur in Filmen? Postboten, die mehrfach klingeln und dann alles vernaschen, was hinter der Tür ungeduldig auf sie wartet. Anscheinend. Herr Barts greift nämlich nicht zu. Er macht keinerlei Anstalten. Da hätte der Arme hier im Viertel ja auch ordentlich zu tun. Vielleicht hat er auch schon die Nachbarin verschnuckelt, wer weiß das schon? Vielleicht nimmt er mal die mit den geraden Hausnummern ran und mal die mit den ungeraden. Bin ich eventuell erst bei der nächsten Runde dran? Oder ist Herr Barts in festen Händen und macht sich rein gar nichts aus ausgehungerten Kleinstadthausfrauen?
    Oder, ganz klar: Herr Barts ist schwul. Wahrscheinlich ist denen von den Stadtwerken das Vorstadtdilemma bekannt und sie schicken nur die Schwulen raus zu den gierigen Hausfrauen. Mitarbeiterschutz sozusagen. Oder bin ich etwa die Einzige, die hier so unschickliche Gedanken hat?
Und vor allem – und das ist die entscheidende Frage – wieso habe ich die überhaupt?
    »Das war’s dann für heute, Frau Schnidt«, sagt Herr Barts, streicht sich durchs volle Haar, und ich überlege, ob das eine versteckte Botschaft fürs nächste Mal sein soll. Ich war schon in der Schule eine Meisterin der Textinterpretation. Ich habe Sachen rausgelesen, die außer mir keiner erkannt hat. Herr Barts verabschiedet sich.
     
    Und da stehe ich. Allein. Inmitten meiner Gedanken an der Haustür unseres Reihenhauses. Herr Barts ist längst eine Tür weiter. Bei Anita. Hat er mir für Anita einen Korb gegeben? Ist es jetzt schon soweit? Muss ich mir das bieten lassen? Rechtliche Schritte einleiten? Sollte ich Christoph, meinen Mann anrufen? Ihn sofort nach Hause bestellen. Zur Erfüllung seiner ehelichen Pflichten. Oder kann ich bis heute Abend warten? Hat Herr Barts vielleicht wirklich was mit Anita? Das wäre ja nun echt der Knaller. Schließlich braucht Anita Herrn Barts weniger als ich. Immerhin hat Anita ein ziemlich reges Sexleben. Nicht dass sie darüber erzählen würde (schade eigentlich, wäre sicher interessanter als ihre sonstigen Geschichten), aber so ein Reihenhaus ist doch recht hellhörig und Anitas Schlafzimmer grenzt an unser Badezimmer. Wie oft höre ich Anita abends »Du Ferkelchen, du kleines Ferkelchen« rufen und Friedhelm, ihren
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