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Black Jail

Black Jail

Titel: Black Jail
Autoren: Allan Guthrie
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MONTAG, 14. SEPTEMBER 1992
    Nick Glass nahm die Ellbogen vom Tisch und lehnte sich ein paar Zentimeter zurück. Der Atem des Gefängnisseelenklempners war süßlich, wie heiße Milch. Nicht unangenehm, genau genommen. Aber Glass wurde übel davon. Er hätte ja gefragt, ob er ein Fenster aufmachen kann, aber das kleine Knastbüro hatte keins.
    John Riddell kam einmal in der Woche vorbei, gewöhnlich montags, und jedes Mal war der Geruch stärker. »Und wie leben Sie sich ein?«, fragte er.
    »Okay«, sagte Glass, dankbar, dass es, wenn er jetzt einatmete, nur nach Möbelpolitur roch.
    Riddell schlug die Akte auf, die vor ihm lag. »Hmmm«, sagte er mit einem Nicken. Er schob seine Brille über die Nase vor und blickte Glass an, ein Blick, den er eindeutig geübt hatte. »Ganz sicher?«
    Glass erwiderte Riddells Blick. Das mit den Blicken konnte Glass. Hatte er in den letzten paar Wochen gelernt. Und nicht nur das.
    »Alles, was Sie in diesem Raum sagen, ist vertraulich«, sagte Riddell.
    »Schön«, sagte Glass. Als ob das irgendwas zu sagen hätte.
    »Haben Sie das verstanden, Nick?«
    »Ich bin ja kein Kind mehr.«
    Riddell beugte sich vor. »Ich wollte nicht herablassend klingen. Entschuldigen Sie.«
    Wieder dieser Geruch. Glass sah einen limonengrünen Plastikbecher vor sich, aus dem sich Milch ergoss, als er zu Boden fiel. Dann verschwand das Bild, und Glass sah nur noch, was vor ihm war. »In Ordnung.«
    »Es ist nur …« Riddell nahm die Brille ab.
    »Nur was?«
    »Sie hätten jetzt die Gelegenheit, es sich von der Seele zu reden.«
    »Mir was von der Seele zu reden?«
    Riddell setzte die Brille wieder auf. »Was immer Sie belastet.«
    »Meiner Seele geht’s gut.« Aber Glass wusste, dass Riddell ihm nicht glaubte. Er fragte sich, wer geplaudert hatte. Er wusste, es sollte ihm eigentlich nichts ausmachen, aber bei dem Gedanken, dass man über ihn sprach, bekam er das Gefühl, jemand hätte ihm Zement die Kehle runtergeschüttet und der würde jetzt in seinem Magen aushärten. Die Leute konnten Riddell alles Mögliche erzählen, und er würd’s auch noch glauben. So sah er wenigstens aus.
    Mit starrem Blick geradeaus spielte Riddell mit seinem Stift.
    Glass versuchte zu erraten, was sie über ihn gesagt haben könnten. Er sollte einfach fragen. Nein, damit wollte er gar nicht erst anfangen. Man wusste nie, wohin das führte.
    Vielleicht hatten sie über ihn und Mafia geredet. Gesagt, sie seien zu eng miteinander. Hatten homosexuelle Anspielungen gemacht. Pubertären Scheiß in der Art.
    Glass wünschte, sie würden endlich erwachsen. Er war zwar erst zweiundzwanzig, aber er war ein verdammtes Stück reifer als sie alle zusammen. Er hatte gelebt. Sachen gesehen, Sachen gemacht, echten Schmerz gefühlt, der einem die Knochen zerschmetterte und das Fleisch vom Leib riss.
    »Wie behandeln die Aufseher Sie? Kommen Sie klar mit dem Spitznamen?«
    Genauso gut hätte er sich Glass schnappen und ihn mit dem Kopf gegen die Wand knallen können. Was zum Teufel stimmte mit Riddell nicht, dass der Dreckskerl einen so provozieren musste? Vielleicht hatte ihn ja seine Frau sitzenlassen. Hatte die Koffer gepackt und war zu ihrer Mutter getürmt. Irgend so was musste es sein.
    »Kann ich jetzt gehen?«, fragte Glass.
    Riddell schaute auf seine Armbanduhr. »Eigentlich sollte die Sitzung dreißig Minuten dauern.«
    Glass warf einen Blick auf die Uhr an der Wand hinter Riddells Kopf. Noch zwanzig Minuten. Das würde er auf keinen Fall durchhalten.
    »Und was, wenn wir einfach so tun?«, fragte Glass. »Braucht ja keiner zu wissen, dass wir abgekürzt haben.«
    Riddell lehnte sich lächelnd in seinem Stuhl zurück. »Sie könnten von der Sitzung profitieren. Es geht hier nicht darum, Ihnen das Leben schwerzumachen. Es geht darum, Ihnen zu helfen, sich einzugewöhnen.«
    Glass sagte nichts. Es ging ihm gut. Er brauchte keine Hilfe. Er konnte sich ganz allein eingewöhnen, vielen Dank.
    »Und Ihre Frau?«, fragte Riddell. »Ihre Tochter?«
    Glass bohrte die Fingernägel in die Handflächen. Klar, für Familien konnte es schwierig sein, das wusste er. Aber das war kein Grund, Lorna und Caitlin hier mit reinzuziehen. Er hatte keine Lust, hier über sie zu sprechen. Sie gehörten zu einer anderen Welt und gingen Riddell nichts an.
    Er würde es kurz machen, vielleicht verstand Riddell den Wink mit dem Zaunpfahl. »Caitlin hat sich in der Schule eingelebt«, sagte er. »Lorna geht’s gut. Keinem von uns fehlt Dunfermline.« Glass war
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