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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht
Autoren: Oliver G Wachlin
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PROLOG
    Er stand in der Küche seines Hauses und überlegte, ob er den Champagner öffnen sollte. Ein Brut Première, was immer das auch heißen mochte. Leider war niemand da, dem er zuprosten konnte. Wenn Traudl noch leben würde, die hätte sich gefreut. Vermutete er jedenfalls.
    Draußen regnete es schon seit Stunden. Auf dem Hof waren große Pfützen, in denen sich verzerrt die Stallungen widerspiegelten. In der Scheune brannte Licht. Merkwürdig. Er war seit drei Tagen nicht mehr in der Scheune gewesen. Wenn er also vergessen hatte, das Licht auszuschalten, hätte es ihm längst auffallen müssen. War es aber nicht. Irgendwer musste in der Scheune sein. Jemand, der nicht auf diesen Hof gehörte.
    Über zwei Jahre lang war er nun schon Witwer, und seitdem gab es hier niemanden außer ihm. Die Felder lagen brach. Der Rest waren Wiesen, die er an ein paar Züchter im Dorf verpachtet hatte, die dringend Heu für ihre Karnickel brauchten.
    Wer also hatte Licht in der Scheune gemacht?
    Er nahm den schweren Buchenholzknüppel, den er sich zurechtgeschnitzt hatte, nachdem sie ihm eine tote Katze an die Tür genagelt hatten. Zwei Tage später wurde sein Schäferhund Rollo vergiftet aufgefunden. Und immer wieder lag anonyme Post im Briefkasten: »WIR KRIEGEN DICH, DU RATTE!«
    Na, das wollen wir doch mal sehen. Grimmig öffnete er die Haustür und lief durch den Regen auf die Scheune zu. Deutlich sah man das Licht. Es sickerte durch einen Spalt im Scheunentor. Davor hatte sich eine riesige Wasserlache gebildet, in die der Regen Blasen trieb.
    Und war nicht auch Musik zu hören? – Ja, ganz deutlich. Aus dem alten Kofferradio, die RIAS Big Band mit Horst Jankowski. »Summertime« von Gershwin.
    Das war unheimlich. Musik und Licht – das fühlte sich an, als wollte man ihn ganz bewusst in die Scheune locken.
    Um was mit ihm zu tun?
    Was für eine Scheiße wollten sie jetzt wieder anstellen? Ihn krankenhausreif prügeln? Ihn mit Gewalt zwingen, den Hof nicht zu verkaufen?
    Zu spät, Jungs, die Sache ist gelaufen. Und wer das nicht versteht, kriegt eins mit dem Knüppel übergezogen.
    Ruckartig öffnete er das Scheunentor und trat ein. Niemand war zu sehen, die Scheune menschenleer. Nur das Licht aus einer kahlen Glühbirne unter der Decke und Jankowskis Big Band. Aber wo war das kleine Kofferradio? Es stand nicht auf seinem Platz an der Werkbank, sondern – sein Blick ging nach oben – auf dem Kehlbalken vor dem Heuboden unter dem hohen Satteldach. Machte sich hier wer einen albernen Scherz mit ihm?
    »Was soll das werden«, rief er laut, »›Verstehen Sie Spaß‹ mit Kurt Felix und Paola?«
    Keine Antwort. Offenbar waren die Witzbolde schon ausgeflogen.
    Er griff nach der Holzleiter, die am Heuboden lehnte, und prüfte, ob sie sicher stand. Man will sich ja nicht das Genick brechen auf seine alten Tage.
    Dann stieg er hoch, um sein Kofferradio herunterzuholen. Das konnte ja nicht die ganze Nacht hier herumdudeln. Er wollte gerade danach greifen, als plötzlich ein Schatten über ihm war, eine Gestalt, die, im Dunkel des Heubodens verborgen, auf ihn gewartet hatte. Sie packte ihn blitzschnell am Kopf, legte ihm eine grobe Schlinge um den Hals, und plötzlich war klar, wie die Sache laufen sollte.
    Die Schweine wollen mich lynchen, dachte er erschrocken, das ist eine Falle, verdammt, ich soll hängen wie ein Stück Fleisch!
    Verzweifelt versuchte er, sich zu wehren. Ohne Chance, denn er hatte ja nur den wackeligen Stand auf der Leiter, und die wurde eben mit einem kräftigen Fußtritt zu Fall gebracht.
    Seine Arme ruderten herum, ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, als sein fallender Körper durch den Strick ruckartig gestoppt wurde und sich die Schlinge um seinen Hals abrupt zuzog. Mit abgeschnürter Kehle und zappelnden Beinen hing er in der Luft.
    Panik stieg ihn ihm auf. Oh Gott, wer tut mir das an, dachte er verzweifelt. Die bringen mich um, die bringen mich einfach um!
    Sicher, er hatte Ärger im Dorf, aber nie hätte er geglaubt, dass sie so weit gehen würden. Waren das wirklich alles Mörder, eiskalte Killer? Oder steckte was ganz anderes dahinter?
    Er würde es nicht mehr herausbekommen, so viel war klar. Er erstickte. Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, das Blut pochte in den Schläfen, sein Herz schlug wie rasend.
    Es dauerte, bis er das Bewusstsein verlor.
    Seine Arme fielen schlaff herab, ein letztes Zucken durchfloss seinen Körper.
    Und Jankowskis Orchester spielte:
    Summertime and the livin’ is
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