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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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gestorben ist, der Sohn eines bekannten Astronauten, weshalb die Meldung auch in die Zeitung kam, obwohl der Junge friedlich gestorben war. Natürlich mußte ich an Ralph denken, meinen Sohn, der überhaupt nicht friedlich gestorben ist, sondern halb wahnsinnig, mit einer ganz eigenen Stimme, mit irren Flüchen und Grobheiten und sogar Scherzen. Und ich begriff, daß meine eigene Trauer um ihn endgültig vorbei ist – wo die des Astronauten gerade erst beginnt. Schmerz, echter Schmerz, ist relativ kurz, doch die Trauer kann lange gehen.
    Ich bin heute morgen aus dem Haus und hinüber zum flachen, weichen Sandstrand gegangen, um – ohne Hemd, nur in der Badehose – einen Spaziergang zu machen. Und mir ging der Gedanke durch den Kopf, daß es zu den natürlichen Einflüssen des Lebens gehört, dich mit einer dünnen Schicht zu überziehen, einer Schicht aus … Ja, was? Ist es ein Film? Ein Rückstand oder eine zweite Haut aus all den Dingen, die du getan hast und gewesen bist und gesagt hast und in denen du fehlgegangen bist? Ich bin nicht sicher. Aber du bist unter dieser Hülle, und du bist es lange, und nur selten wird es dir bewußt, es sei denn, du kommst aus irgendeinem unerwarteten Anlaß oder bei irgendeiner Gelegenheit darunter hervor – für eine Stunde oder auch nur für einen Augenblick – und fühlst dich auf einmal richtig gut. Und in diesem magischen Augenblick wird dir klar, wie lange es her ist, daß du dich genauso gefühlt hast. Du fragst dich, ob du vielleicht krank gewesen bist. Ist das Leben selbst eine Krankheit oder ein Syndrom? Wer weiß? Wir alle kennen das Gefühl, da bin ich sicher, denn ich kann unmöglich etwas empfinden, was Hunderte von Millionen anderer Bürger nicht empfunden haben.
    Nur bist du dann plötzlich draußen – aus dieser Hülle, dieser Lebenshaut –, wie damals, als du noch ein Kind warst. Und du denkst: Genauso muß es schon einmal in meinem Leben gewesen sein, auch wenn es dir damals nicht bewußt war und du dich nicht einmal daran erinnern kannst – an dieses Gefühl des Windes auf Wangen und Armen, das Gefühl des Befreitseins, des Losgelassenseins, des schwerelosen Dahingleitens. Und da es lange Zeit nicht mehr so gewesen ist, möchtest du diesmal, daß es anhält, dieser glitzernde eine Augenblick, diese kühle Luft, dieses neue Leben, damit du dir einen Eindruck von diesem Gefühl bewahren kannst, denn wenn es wiederkommt, könnte es zu spät für dich sein. Du könntest dann zu alt sein. Und in Wahrheit könnte es natürlich das letzte Mal sein, daß du dieses Gefühl erlebst.

Über den Autor
    Richard Ford
    Richard Ford wurde 1944 in Jackson, Mississippi, geboren und lebt heute in Maine. Er hat sieben Romane sowie Novellen, Kurzgeschichten und Essays veröffentlicht. 1996 erhielt er für Unabhängigkeitstag den Pulitzer Prize.
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