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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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hinteren Veranda nach dem Essen, mitten im lieblichen Duft der Grapefruit-Plantagen und Azaleen. Ich kann mich kaum an meinen Vater erinnern, und deshalb ist mir das alles neu, sogar die Erkenntnis, daß ihn irgend jemand kannte. »Er konnte in die Zukunft blicken wie kein anderer«, sagt Buster und grinst. Meine Mutter hatte er nie kennengelernt. Und mein Eingeständnis, daß ich mich an kaum jemanden aus der damaligen Zeit erinnern kann, läßt ihn kalt. Es ist für ihn lediglich ein bedauerlicher Fehler des Schicksals, und er ist bereit, diesen Fehler für mich zu korrigieren, obwohl ich ihm umgekehrt keine interessanten Geheimnisse zu bieten habe. Und ich muß ehrlich sagen: Wenn ich am Abend auf der 24 zurückfahre, während hinter meiner Wohnanlage und hinter der breiten Allee aus Dattelpalmen und Laternenpfählen die Sonne untergeht, dann bin ich gewöhnlich (wenn auch nur vorübergehend) froh, eine (wenn auch abgeleitete und entlegene) Vergangenheit zu haben. Es ist schon was. Und es ist keine Bürde, auch wenn ich das früher immer gedacht habe. Ich kann nicht sagen, daß wir alle eine Vergangenheit im großen literarischen Stil brauchen oder daß sie einem letztlich viel nützt. Aber so eine kleine Vergangenheit kann nicht schaden, vor allem, wenn du schon ein Leben nach deinem eigenen Geschmack führst. »Deine Freunde suchst du dir aus«, sagte Empress zu mir, als ich das erste Mal dort war, »aber was deine Familie angeht, da gibt’s nichts auszusuchen.«
    Was bleibt am Ende noch zu sagen? Es ist keine sehr komplizierte Angelegenheit, glaube ich.
    Mein Herz schlägt noch, wenn auch, ehrlich gesagt, nicht genauso wie vorher.
    Meine Stimme ist so stark und überzeugend wie eh und je und hat mich nach jenem Ostersonntag in Barnegat Pines nicht im Stich gelassen.
    Ich habe engen Kontakt zu Catherine Flaherty gehalten, und nach den zwei Tagen, die wir in ihrer unordentlichen kleinen Wohnung im Ostteil der 5. Straße verbrachten, sahen wir uns ziemlich oft, bis ich dann meine Sachen packte und hier runterkam. Sie ist ein wunderbares, wißbegieriges, tendenziöses Mädchen, genau in den Dingen ironisch, wo ich es halb geahnt habe, und über ernste Dinge reden wir auch heute noch manchmal. Sie hat am Dartmouth College mit ihrem Medizinstudium angefangen und will an Thanksgiving hierherfliegen, falls ich dann noch hier bin, was jedoch ganz unwahrscheinlich ist. Es hat sich gezeigt, daß es keinen Dartmouth-Dan gibt, und das sollte uns allen eine Lehre sein: Die besten Mädchen sind oft ungebunden, wahrscheinlich eben, weil sie die besten sind. Es genügt, daß ich das weiß und daß wir uns wie Jungverliebte benehmen, bis spät in die Nacht miteinander telefonieren, Besuche an Feiertagen planen, insgeheim hoffen, uns nie wiederzusehen. Ich bezweifle, daß uns eine echte Liebe verbindet. Ich bin zu alt für sie; sie ist zu klug für mich. (Ich hätte nie den Mut, ihren Vater kennenzulernen, der sich »Punch« Flaherty nennt und seine Kandidatur fürs Abgeordnetenhaus vorbereitet.) Doch als Nachtrag sei zugegeben, daß ich mich, was ihre Einstellung zur Liebe und zum Bett angeht, völlig geirrt habe und daß ich auch mit Befriedigung festgestellt habe, daß sie modern genug ist, nicht zu glauben, ich könne ihr auf die eine oder andere Art den Weg ebnen, obwohl ich mir wünsche, ich könnte es.
    Von Vicki Arcenault habe ich kein Wort mehr gehört, und es würde mich nicht überraschen, wenn sie nach Alaska gezogen wäre und sich mit ihrem ersten Mann – und ihrer neuen Liebe –, dem hitzköpfigen Everett, ausgesöhnt hätte und wenn sie zusammen New-Ager geworden wären und in heißen Bädern säßen und dort über ihre Ziele und Diäten diskutierten und zusammen mit Verbraucherschützern einer kalten Welt den Kampf ansagten, überzeugt von dem, was sie sind und was sie wollen. Die Welt wird ihr gehören, nicht mir. Ich hätte ihre Entwicklung hinauszögern können, aber nur eine Weile, und wir wären sicher auf eine bittere Scheidung zugegangen. Ich vermute – und das macht mich nicht glücklich –, sie wird eines Tages entdecken, daß sie die Männer nicht mag und nie mochte (genau wie sie sagte), ihren Vater eingeschlossen, und sie wird eine Fahne herumtragen, auf der genau diese Worte stehen. So ist das nun mal: In Angelegenheiten des Herzens kehren sich Erwartungen um; die Liebe: ein Opfer des Zufalls und des Schicksals; das, was wir nach eigener Aussage nie tun wollen, ist schließlich genau das, was wir
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