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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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Eins
    Ich heiße Frank Bascombe. Ich bin Sportreporter.
    Seit vierzehn Jahren wohne ich hier in Haddam, New Jersey, in der Hoving Road 19; das große Haus im Tudorstil habe ich gekauft, als ein Band Short Storys von mir für sehr viel Geld an einen Filmproduzenten ging und meiner Frau und mir und unseren drei Kindern – von denen zwei noch nicht einmal geboren waren – ein angenehmes Leben in Aussicht stellte.
    Wie dieses angenehme Leben – das von mir erwartete – im einzelnen aussah, kann ich heute nicht genau sagen, aber ich würde andererseits auch nicht behaupten, es sei nichts daraus geworden; es ist eben nur eine Menge dazwischengekommen. Ich bin zum Beispiel nicht mehr mit X verheiratet. Das Kind, das damals kam, als alles anfing, ist gestorben, obschon, wie bereits erwähnt, noch zwei andere da sind, quicklebendige und prächtige Kinder.
    Ich habe, kurz nachdem wir von New York hierher gezogen waren, einen kurzen Roman angefangen und ihn, als die Hälfte geschrieben war, in die Schublade gelegt, wo er bis heute geblieben ist und wohl auch weiterhin bleiben wird, wenn nicht irgend etwas geschieht, das ich mir heute noch gar nicht vorstellen kann.
    Vor zwölf Jahren, als ich sechsundzwanzig war und nicht so recht wußte, wie und was, wurde mir vom Herausgeber eines teuer aufgemachten New Yorker Sportmagazins, das Ihnen allen ein Begriff ist, der Job eines Sportreporters angeboten, weil ich als freier Mitarbeiter einen Artikel in einer ganz bestimmten Art geschrieben hatte, die ihm gefiel. Und zu meiner – und nicht nur meiner – Überraschung stellte ich die Arbeit an meinem Roman ein und nahm an.
    Und von da an hat es für mich keine andere Arbeit mehr gegeben, nur noch diesen Job, wenn man einmal von den Urlaubszeiten absieht und von einer dreimonatigen Unterbrechung nach dem Tod meines Sohnes, als ich einen Neuanfang erwog und eine Stelle als Lehrer an einer kleinen Privatschule im westlichen Teil von Massachusetts annahm, wo es mir aber schon bald nicht mehr gefiel, so daß ich es kaum erwarten konnte wegzukommen und hierher nach New Jersey zurückzukehren und wieder Artikel für das Sportmagazin zu schreiben.
    Mein Leben ist in diesen zwölf Jahren keineswegs übel gewesen, und das ist es auch heute noch nicht. Es ist in fast jeder Beziehung phantastisch gewesen. Und obwohl mir mit zunehmendem Alter immer mehr Dinge angst machen, und obwohl mir immer klarer wird, daß einem üble Dinge passieren können und auch tatsächlich passieren, gibt es sehr wenig, was mich wirklich beunruhigt oder nachts nicht schlafen läßt. Ich glaube immer noch an Liebe und Leidenschaft. Und ich würde nicht viel oder gar nichts ändern. Vielleicht würde ich mich nicht mehr scheiden lassen. Und mein Sohn, Ralph Bascombe, würde nicht sterben. Aber das ist, was diese Dinge betrifft, auch schon alles.
    Warum, werden Sie vielleicht fragen, gibt einer eine vielversprechende Laufbahn als Schriftsteller auf – es gab ein paar gute Rezensionen –, um Sportreporter zu werden?
    Das ist eine gute Frage. Im Moment will ich nur so viel dazu sagen: Wenn du bei der Arbeit des Sportreporters eines lernst – und sie bringt viel Wahres, aber auch eine Menge Lügen mit sich –, dann die Erkenntnis, daß du, wenn dein Leben etwas wert sein soll, früher oder später der Tatsache eines fürchterlichen brennenden Bedauerns ins Auge sehen mußt. Aber du mußt es auch fertigbringen, ihm zu entrinnen, sonst ist dein Leben ruiniert.
    Ich glaube, ich habe beides getan. Den Schmerz durchgestanden. Den Ruin vermieden. Und ich bin immer noch hier, um davon zu berichten.
    Ich bin über den Eisenzaun in den Friedhof direkt hinter meinem Haus gestiegen. Es ist fünf Uhr morgens am Karfreitag, dem 20. April. Alle anderen Häuser in der Umgebung sind noch dunkel, und ich warte auf meine Exfrau. Es ist der Geburtstag meines Sohnes Ralph. Er wäre heute dreizehn geworden, fast schon ein Mann. Wir haben uns hier die letzten beiden Jahre frühmorgens vor Tagesbeginn getroffen, um ihm unsere Aufwartung zu machen. Davor sind wir als Mann und Frau immer gemeinsam herübergekommen.
    Ein gespenstischer Nebel steigt aus dem Gras des Friedhofs auf, und hoch oben in der unteren Wolkenhöhe höre ich das Flügelrauschen vorüberziehender Gänse. Ein Polizeiauto ist mit leisem Schnurren durchs Tor hereingefahren, hat angehalten, die Scheinwerfer ausgeschaltet und angefangen, mich zu überwachen. Im Auto sah ich ein Streichholz aufflackern, sah das Gesicht des
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