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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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Jetzt habe ich dagegen eine Menge Leser und kann mich immer noch den Dingen zuwenden, die mir wichtig sind. Jedenfalls, nachdem ich einen guten Ruf erworben hatte.«
    »Also alles, was Sie schreiben, scheint einen Zweck zu haben, will etwas Wichtiges aufzeigen. Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Vielleicht bin ich zu zynisch«, sagt Catherine.
    »Wenn Sie sich Gedanken darüber machen, sind Sie’s wahrscheinlich nicht. Ich mache mir deshalb selber die ganze Zeit Gedanken. Es gibt genügend Typen in diesem Geschäft, die denken nie drüber nach. Und dazu gehören auch unsere Zahlenkünstler. Aber meiner Meinung nach kann man lernen, nicht zynisch zu sein – wenn man daran interessiert ist. Jemand könnte Ihnen erklären, was die Warnzeichen sind. Ich könnte Ihnen das wahrscheinlich in kürzester Zeit beibringen.« Hämmern im Knie und im Herzen: Laß mich dein Lehrer sein.
    »Was ist denn so ein typisches Warnzeichen?« Sie grinst und schnipst ihr Honighaar von den Ohren, wie um zu sagen: Jetzt wird’s lustig.
    »Na ja, sich keine Gedanken zu machen, ist eines. Aber das trifft ja nicht auf Sie zu. Ein anderes ist gegeben, wenn man plötzlich mit jemandem, über den man schreibt, Mitleid hat, denn als nächstes hat man dann wahrscheinlich mit sich selber Mitleid, und dann hat man echte Probleme. Wenn ich je das Gefühl habe, jemandes Leben sei eine Tragödie, dann bin ich mir ziemlich sicher, daß ich einen großen Fehler mache, und ich fange sofort nochmals von vorn an. Und ich glaube wirklich nicht, daß ich bei diesem Vorgehen je das Gefühl einer besonderen Ratlosigkeit oder Entfremdung hatte. Richtige Schriftsteller fühlen sich die ganze Zeit entfremdet. Ich habe Zitate gelesen, wo sie das selber zugeben.«
    »Glauben Sie, Ärzte fühlen sich je entfremdet?« Catherine scheint besorgt (und das sollte sie auch sein). Ich muß an Fincher und sein bestimmt trostloses, idiotisches Leben denken. Aber es könnte auch schlimmer sein.
    »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, daß es für sie ganz zu vermeiden ist«, antworte ich. »Sie bekommen schon eine Menge an Elend und Gemeinheit zu sehen. Trotzdem, Sie könnten es doch mit dem Medizinstudium mal ehrlich versuchen, und wenn nichts daraus werden sollte, können Sie ziemlich sicher sein, daß Sie einen Job als Sportreporter bekommen. Wahrscheinlich könnten Sie sogar hierher zurückkommen.«
    Sie zeigt mir ihr bestes augenzwinkerndes Lächeln, und die langen Bostoner Zähne fangen das Licht ein wie Opale. Wir sind jetzt ganz allein hier. Leere Bürozellen erstrecken sich in leeren Reihen bis nach vorn zum leeren Eingangsbereich und den leeren Bänken bei den Aufzügen – ein idealer Ort für eine erblühende Liebe. Wir haben einiges in der Hand und genügend miteinander zu teilen – ihre Bewunderung für mich, meine Ratschläge für ihre Zukunft, ihre Achtung vor meiner Meinung (die vielleicht sogar ihrem alten Herrn Konkurrenz macht). Vergessen wir, daß ich doppelt so alt bin wie sie oder noch älter. Um das Alter wird in diesem Land zuviel Getue gemacht. Die Europäer grinsen hinter unserem Rücken, während sie sich auf alles freuen, was zwischen dem Jetzt und dem Tod noch kommen mag. Catherine Flaherty und ich sind einfach zwei Menschen hier, die vieles gemeinsam haben, denen vieles durch den Kopf geht und die sich nach einem echten Gedankenaustausch sehnen.
    »Sie sind einfach großartig «, erlaubt sie sich zu sagen. »Ein wahrer Optimist. Wie mein Vater. Meine ganzen Sorgen sehen wie winzige Problemchen aus, die sich von selbst lösen werden.« Ihr Lächeln bestätigt mir, daß sie jedes Wort auch genauso meint, und ich kann es kaum erwarten, ihr weitere Weisheiten zukommen zu lassen.
    »Ich schätze mich selbst im wesentlichen als einen Realisten ein«, sage ich. »Was immer mit uns geschieht, ist in dem Moment, wo es geschieht, real. Ich versuche nur, die Dinge entsprechend meinen Fähigkeiten möglichst gut zu arrangieren.« Ich werfe einen Blick über die Schulter auf meinen Schreibtisch, als sei mir gerade etwas Wichtiges eingefallen, das ich hier erwähnen möchte – eine nur in meiner Einbildung existierende Ausgabe der Grashalme oder ein abgegriffener Schmöker von Ayn Rand. Doch da liegt nur mein leerer gelber Notizblock, der mit den hingekritzelten falschen Anfängen wie eine alte Einkaufsliste aussieht. »Die Möglichkeiten sind wirklich unbegrenzt, es sei denn natürlich, Sie sind eine echte Calvinistin«, sage ich und schürze die
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