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Sportreporter

Sportreporter

Titel: Sportreporter
Autoren: R Ford
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Lippen.
    »Meine Familie ist presbyterianisch«, läßt mich Catherine Flaherty wissen und zeigt eine perfekte Nachahmung meiner schmallippigen Gebärde. (Ich hätte jede Wette angenommen, daß sie zum Team des Papstes gehört.)
    »Das ist auch mein Verein. Aber ich hab das ziemlich schleifen lassen. Ich hab momentan ein bißchen viel um die Ohren.«
    »Ich muß auch noch eine Menge lernen. Glaube ich.«
    Und einen langen Moment herrscht nüchterne Stille, während über uns leise die Lichter summen.
    »Was läßt man Sie hier denn tun, damit Sie Erfahrung sammeln?« frage ich aufgeschlossen. Welche Vorstellung auch in mir reifen mag, sie ist noch hinter dem Horizont, und ich will auf keinen Fall berechnend wirken, denn das würde sie augenblicklich von hier vertreiben. (Mir wird in diesem Moment klar, wie sehr es mir zuwider wäre, ihren Vater kennenzulernen, obwohl ich ja annehme, daß er ein toller Hecht ist.)
    »Na ja, ich hab nur einige Leute am Telefon befragt, das ist ganz interessant. Der frühere Coach der Princeton-Ruderer ist ein russischer Überläufer aus den fünfziger Jahren, der auf Wettkampfreisen Informationen über H-Bomben herausgeschmuggelt hat. Das ist wohl alles vertuscht worden, und die Regierung hielt den Job in Princeton schon für ihn bereit.«
    »Hört sich gut an«, sage ich. Und es stimmt. Eine kleine Intrige, eine Geschichte, in die man sich reinknien kann.
    »Aber ich habe große Schwierigkeiten damit, gute Fragen zu stellen.« Sie legt die Stirn in Falten, um zu zeigen, daß sie sich um ihre Fähigkeiten in diesem Gewerbe echte Sorgen macht. »Ich frage zu kompliziert, und niemand läßt viel raus.«
    »Das überrascht mich nicht«, sage ich. »Sie müssen nur darauf achten, daß die Fragen einfach sind, und denken Sie dran, dieselben Fragen immer und immer wieder zu stellen, manchmal nur anders formuliert. Die meisten Sportler brennen richtig darauf, einem die ganze Wahrheit zu sagen. Man darf ihnen nur nicht in die Quere kommen. Genau das ist auch der Grund, weshalb so viele Sportreporter verdammt zynisch werden. Ihre Rolle ist viel kleiner, als sie gedacht haben, und die Erkenntnis läßt sie sauer werden. Dabei haben sie sich immer nur bemüht, in ihrem Handwerk besser zu werden.«
    Catherine Flaherty lehnt an dem Aluminiumpfosten in der Tür, die Augen funkelnd, der Mund unsicher, und sagt in diesem wichtigen Moment nichts, exakt nichts, nickt nur mit dem hübschen Kopf. Ja. Ja.
    Es liegt alles an mir.
    Der klare Mond dieser Nacht hat an meinem dunklen Horizont einen glatten silbernen Höcker postiert, und ich muß nur aufstehen, mir die Hände wie Sankt Stephan fest auf die Brust legen und vorschlagen, daß wir an die frische Luft gehen und über die Park Avenue bummeln, vielleicht auf ein Sandwich und ein Bier in eine Kneipe gehen, die ich dann kennen sollte (aber noch nicht kenne), am besten drüben in der Second Avenue, und für alles andere mag dann die verträumte Nacht sorgen. Ein Paar. Die üblichen Stadtbewohner, Arm in Arm unter dieser Mondsichel, vertraut mit diesen angenehmen Straßen, alte Hasen in diesem neuen Geschäft der romantischen Liebe.
    Ich werfe einen Blick auf die Uhr über Eddie Frieders Büro, spähe, genauer gesagt, durch seine Bürofenster und durch die helle Nacht hinüber zu dem Gelände auf der anderen Straßenseite. Die Fenster dort sind altmodisch gelb beleuchtet. Ein massiger Mann mit einer Weste steht da und schaut hinunter auf die Straße. Auf was? Was geht ihm wohl durch den Kopf, frage ich mich unwillkürlich. Eine Reihe von Alternativen, die ihm nicht zusagen? Eine Zwangslage, die ihn beschäftigt und ihn die ganze Nacht kosten kann? Eine schwarze Zukunft, schwärzer noch als die Nacht? Hinter ihm ist offenbar jemand, den ich nicht sehen kann, und spricht ihn an oder ruft seinen Namen; jedenfalls dreht er ab, hebt die Hände in einer zustimmenden Geste und verschwindet aus dem Blickfeld.
    Nach Eddie Frieders Uhr haben wir jetzt genau die elfte Stunde in dieser Osternacht. Im Büro ist es still und ruhig, abgesehen vom fernen Summen eines Computers und von der Uhr selbst, die sich auf die nächste Minutenstation zuschlängelt. Ein süßer Duft liegt in der geruchlosen Luft, der Duft von Catherine Flaherty; Kleiderschränke, geheime Privatschulstreiche, dunkle (aber nicht zu dunkle) Rendezvous. Und einen Moment lang werde ich davon abgehalten, zu reden oder mich zu bewegen, denn ich stelle mir präzise vor, wie sie die Pflicht übernehmen
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