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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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Gasthaus im Stehen. Die kleine Gasse platzte vor Menschen beinahe aus den Nähten und Brandt, dem dieses Gedränge heute irgendwie zuwider war, hatte zielstrebig einen Platz im Inneren der Brauerei angesteuert. Der Köbes brachte ihnen das Bier. Teichert prostete ihm zu und er ließ sich ein klein wenig von der guten Stimmung anstecken. Was hatte es jetzt auch noch für einen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob Wagner seine gerechte Strafe erhalten hatte? Was geschehen war, konnte er nicht mehr ändern und die Menschen an sich sowieso nicht.
    Wenigstens ein Leben hatten sie retten können – das war viel wert.
    »Auf uns!«
    Er hob sein Glas, um es anschließend in einem Zug zu leeren. Dann betrachtete er eingehend sein Gegenüber. In Situationen wie dieser erinnerte Teichert ihn an seine eigene Anfangszeit bei der Mordkommission, die ersten Fälle und Leichen, den empfundenen Stolz über die Aufklärung des ersten Morddeliktes. Er erinnerte sich noch ganz genau. Damals war ein Mann in seiner Wohnung brutal erstochen worden. Alles hatte auf einen Raubmord hingedeutet, aber Brandt hatte dem ersten Eindruck nicht getraut und auf eigene Faust nach dem Täter und dessen wahrem Motiv gesucht. Das war bei seinem Vorgesetzten nicht gerade auf Zustimmung gestoßen und er hatte eine stundenlange Standpauke über seine unvernünftigen Alleingänge und seine Unfähigkeit zur Teamarbeit über sich ergehen lassen müssen. Doch das hatte ihn nicht davon abgehalten, heimlich weiter zu ermitteln, und letztendlich hatte seine Hartnäckigkeit sich ausgezahlt. Er hatte den Bruder des Opfers überführt, der aus reiner Eifersucht und Habgier gemordet hatte.
    Und ebendieses Talent, sich nicht vom ersten Eindruck täuschen zu lassen, geradezu leidenschaftlich nach den wahren Motiven zu suchen und sich nicht von den Abgründen so manchen menschlichen Handelns abschrecken zu lassen, hatte er besonders in diesem Fall zumindest in Ansätzen auch bei Teichert entdeckt.
    Der junge Kollege hatte sich wacker geschlagen und seine Fähigkeiten, die in Brandts Augen einen guten Polizisten ausmachten, unter Beweis gestellt. Vielleicht war es an der Zeit, dass er ihm das einmal sagte. Aber es lag ihm nun einmal nicht, über so etwas viele Worte zu verlieren, und so behielt er sein Lob über die gute Zusammenarbeit und die Anerkennung von Teicherts hervorragender Arbeit lieber für sich. Das war möglicherweise ein Fehler. Seinen letzten Partner hatte er dadurch jedenfalls derart verärgert, dass er Brandt in einer äußerst brenzligen Situation einfach im Stich gelassen hatte, und das war beinahe tödlich für ihn ausgegangen. Es war inzwischen gut ein halbes Jahr her. Sie hatten einen Serienmörder nach wochenlanger Arbeit in einen Hinterhalt locken können. Letztendlich war es das Verdienst seines Partners gewesen, aber Brandt hatte kein lobendes Wort darüber verloren. Als er den Mörder überführt hatte, war dieser durchgedreht, hatte eine Waffe gezogen und auf ihn abgefeuert. Sein Kollege war nicht zur Stelle gewesen, da er, statt wie verabredet, das Geschehen aus einigen Metern Entfernung vom Auto aus zu beobachten, beleidigt über Brandts Reaktion einfach seinen Standort geändert hatte, von welchem er den Angriff nicht hatte sehen können.
    Aber so empfindlich schätzte er Teichert nicht ein, und er war sich sicher, dass sein Kollege längst bemerkt hatte, wie sehr Brandt ihn und seine zuverlässige Arbeitsweise schätzte.
    Es folgten noch etliche Gläser an diesem Abend. Sie diskutierten über Gott und die Welt und die Uhr zeigte schon weit nach Mitternacht, als sie schließlich mit wankenden Schritten Richtung Taxistand aufbrachen.
    »Weißt du, Hagen, ich spiele mit dem Gedanken, mich wieder versetzen zu lassen«, äußerte Teichert plötzlich unvermittelt.
    Brandt fuhr erschrocken herum. Hatte er sich etwa geirrt? War dem Kollegen entgangen, wie sehr er seine Arbeit und vor allem seine Person schätzte?
    »Das geht nicht«, entfuhr es ihm.
    Teichert blieb abrupt stehen.
    »Wieso nicht?«
    »Na, weil«, er suchte nach den passenden Worten. Es fiel ihm unsagbar schwer, dem anderen gegenüber seine wahren Gedanken und Gefühle zu äußern. Bilder des Angriffs flammten vor seinem inneren Auge auf. Er sah den Lauf der Pistole vor sich, verspürte Angst.
    »Na, weil ich einen zuverlässigen Partner wie dich brauche«, stammelte er.
    Brandt wirkte plötzlich sehr aufgewühlt und Teichert blickte ihn erstaunt an. Wenn er ehrlich war,
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