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Solomord

Solomord

Titel: Solomord
Autoren: Sandra Duenschede
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das Versteck gebracht. Vielleicht hat er irgendwo eine zweite Wohnung angemietet. Immerhin wollte er sich doch mit dem Mädchen eine Art neue Scheinwelt aufbauen.«
    »Glaub ich nicht«, beurteilte Brandt die Vermutung seines jungen Kollegen, »dann hätte er ganz sicher Yvonnes Sachen aus dem zweiten Schlafzimmer dorthin gebracht.«
    »Weiß nicht. Er wollte doch etwas gutmachen. Nicht unwahrscheinlich, dass er ihr lauter neue Sachen gekauft hat.«
    Abermals widersprach er Teichert.
    »Schau dir mal die Sachen ganz genau an!«
    Er lief vor in Yvonnes vermeintliches Zimmer und griff nach einer Puppe, die hübsch drapiert auf dem Bettüberwurf saß.
    »Solche Sachen kannst du nicht ersetzen. Siehst du hier?«, er deutete auf die Plastikhände des Spielzeugs. »Vermutlich war das eine ihrer Lieblingspuppen. Die Finger sind ganz zerkaut und auch sonst sieht sie abgenutzter aus als die anderen da oben im Regal.« Er deutete auf die aufgereihten Kuscheltiere und Puppen über dem Bett, die stumm auf sie niederblickten.
    »Worauf du achtest«, erwiderte Teichert.
    Brandt musste grinsen. Wer selbst Kinder hatte, kannte so manche Eigenart dieser kleinen Wesen. Kugelschreiberspuren an den Tapeten, zerrissene Hosen, verlorene Mützen und Handschuhe. Es gab jede Menge Kleinigkeiten, die Kinder, egal wie unterschiedlich sie ansonsten auch sein mochten, sehr oft gemein hatten. So eben auch einen Spielkumpanen in Form eines Kuscheltieres oder einer Puppe, dem man die gemeinsam bestandenen Abenteuer meist deutlich ansah.
    »Wenn du selbst mal Kinder hast, fällt dir so etwas auch gleich ins Auge.«
    »Na, lass mal gut sein«, Teichert winkte ab, »vielleicht fällt mir das nächste Mal so etwas auch ohne Kinder auf.«
    Obwohl sein Kollege sich bemühte, mit ruhiger und gleichgültiger Stimme zu sprechen, bemerkte Brandt, dass etwas nicht stimmte. Er traute sich aber nicht, direkt nachzufragen. Sie sprachen zwar häufig auch über private Dinge, aber es gab trotzdem viele Bereiche, die zwischen ihnen quasi tabu waren. Margits Unfall gehörte zum Beispiel dazu. Und auch über Teicherts Sexleben wurde geschwiegen. Kinder waren in ihren Gesprächen bisher eigentlich nie ein Thema gewesen, jedenfalls nicht, was seinen Kollegen betraf. Selbstverständlich erzählte Brandt von den Problemen, die man als Vater mit einer pubertierenden Tochter hatte. Hin und wieder diskutierten sie sogar über Erziehungsfragen oder Schulprobleme.
    Doch Teicherts Reaktion auf seine flapsige und eigentlich nur so dahergesagte Äußerung machte ihm deutlich, dass dieses Thema, wenn es den Kollegen persönlich traf, tabu war, was Brandt zwar akzeptierte, aber erstaunte. Wünschte sich nicht jeder Mann, dass es irgendwann – es musste nicht gleich heute sein – einmal Nachkommen von ihm gab? War das nicht sein ureigenster Instinkt? Dass er für den Erhalt seiner Spezies sorgte und Kinder zeugte? Jedenfalls war das bei ihm der Fall gewesen. Irgendwann hatte er den Wunsch verspürt, eine Familie zu gründen und Kinder zu zeugen. Na gut, vielleicht hatte seine Mutter ihn ein wenig zur Hochzeit gedrängt, immerhin war Margit damals bereits schwanger gewesen. Zunächst hatte er sich, wie so oft, gegen das Drängen seiner Mutter gewehrt, behauptet, man könne auch ohne Trauschein glücklich mit einem Kind zusammenleben. Als er allerdings Margit von dem Streit erzählt hatte und ihren enttäuschten Blick bei der Passage mit dem ›ohne Trauschein‹ aufgefangen hatte, war ihm klar geworden, dass ihr eine Hochzeit doch wichtig war, und im Nachhinein sah er das Ganze ähnlich. Nicht, dass er Paare verurteilte, die unverheiratet zusammenlebten – das musste jeder für sich selbst entscheiden –, aber für ihn war die Hochzeit nochmals eine Bestätigung, ein Bekenntnis zueinander gewesen, und die Ehe vermittelte nicht nur nach außen hin eine engere Bindung, sondern schweißte nach seinen eigenen Erfahrungen noch enger zusammen.
    »Ich denke, wir können hier Schluss machen. Oder?«
    Teicherts Frage riss ihn völlig aus seinen Gedanken und er brauchte einen kurzen Augenblick, um zu reagieren.
    »Ja, lass uns ins Präsidium fahren. Vielleicht haben die anderen was gefunden.«

    Sie versiegelten die Wohnungstür und Brandt klingelte anschließend erneut bei Frau Lüdenscheidt.
    »Scheint nicht zu Hause zu sein«, bemerkte Teichert, als auch nach mehrmaligem Klingeln nicht geöffnet wurde.
    »Wo kann die denn sein?« Brandt kratzte sich ratlos an seinem linken Ohr.

    Im
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