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0887 - Blutiger Nebel

0887 - Blutiger Nebel

Titel: 0887 - Blutiger Nebel
Autoren: Volker Krämer
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Quentin Genada fühlte den Druck, der sich immer enger um sein Herz legte - mit jedem Schritt, dem er diesem mächtigen Gebäudekomplex näher kam, nahm dieses Gefühl noch zu. Die Clinique Saint Charles in Lyon war ein beeindruckender Anblick, der durchaus auch positive Eindrücke vermitteln konnte. Hier wurde geholfen, hier wurde um das Leben der Patienten gerungen, gekämpft… Siege und Niederlagen - Leben und Tod, das lag ja so unglaublich nahe beieinander.
    Für den Mittfünfziger Quentin Genada gab es jedoch nur die eine Kategorie an Gefühlen, die ihm hier entgegenschlug: Angst, böse Erinnerungen… und Furcht vor dem, was noch kommen mochte.
    Furcht davor, ganz plötzlich alleine auf der Welt zu sein.
    Quentin hatte seine Passion zu seinem Leben gemacht - er war Berufsfeuerwehrmann geworden, war durch ungezählte Einsätze gegangen. Vieles von dem, was er dabei gesehen hatte, hätte er nur zu gerne vergessen, zumindest verdrängt, doch das war ihm nie wirklich gelungen. So viele Verletzte… Tote… verbrannte Körper, verunstaltet, unkenntlich. Doch da waren auch die ungezählten Menschen, die er und seine Kollegen vor eben einem solchen Schicksal gerettet hatten.
    Kein Grund, um sich für Helden zu halten - es war ihr Job, den sie so perfekt wie nur möglich erledigten. Allerdings mit der gebührenden Portion Stolz, die ihnen zustand.
    Vor sieben Jahren war Quentins Welt dann gewaltig ins Wanken geraten. Seine Eltern, die am Stadtrand von Lyon wohnten, waren bei einem Unfall schwer verletzt worden. Ein LKW hatte sich in ihr kleines Reihenhaus gebohrt; die hoch brennbare Ladung war explodiert, und Quentins Eltern waren zu lebenden Fackeln geworden. Quentin hatte eine Freischicht - er war in das Krankenhaus geeilt, in das man seine sterbenden Eltern gebracht hatte - zur Clinique Saint Charles. Niemand hatte ihnen noch helfen können…
    Ein Jahr darauf hatte Quentins Bruder aufgegeben… sich selbst aufgegeben. Mit Blaulicht war er hierher gebracht worden - in die Clinique Saint Charles. Vergeblich. Ein Jahr nur, doch es hatte Quentin gleich drei geliebte Menschen gekostet. Und die drei Tode waren für ihn eng verknüpft mit der Clinique Saint Charles. Für ihn war das hier die Leichenhalle seiner Familie, nichts weiter.
    Und nun… vor fünf Tagen, war ihm keine andere Wahl geblieben, als Lea hier einzuliefern. Lea, seine Lea! Die anderen Kliniken in Lyon waren regelrecht überlaufen, also hatte Quentin seinem Herzen einen Stoß gegeben.
    Lea hatte sich eine mehr als böse Lungenentzündung zugezogen. Im Grunde hatte das ja einmal so kommen müssen, denn Quentins Frau trieb Raubbau mit ihrer Gesundheit. So war sie schon immer gewesen - schon damals, vor beinahe 30 Jahren, als Quentin sie seinen Eltern vorgestellt hatte. Die Altvorderen hatten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Quentin musste lächeln, als er an diese Szene dachte.
    Lea war ein bildhübsches Mädchen gewesen, das jedoch ansonsten nicht den üblichen Konventionen entsprach. Lea rauchte wie ein Schlot! Lea trank sich gerne ihren Abendcognac… und im Ernstfall war sie in der Lage, so manchen Kerl unter den Tisch zu trinken. Lea hatte Jobs, unterschiedliche Jobs, die von der Putzfrau bis zur Bardame reichten. Und sie besaß ein lockeres Mundwerk der aller ersten Güte.
    »Keine drei Wochen, Junge, dann wirst du sie zum Teufel jagen, ich verspreche es dir.« Vater hatte sich mächtig geirrt.
    Quentin hatte seine Lea geheiratet. Die Ehe war kinderlos geblieben, denn Quentin hielt seinen Beruf nicht mit Kindererziehung vereinbar. Die Gefahr, im Einsatz umzukommen, war ihm einfach zu hoch. Lea hatte noch ein paar Jahre gejobbt, dann hatte sie bei einem Kinderbuchverlag angefangen. Ganz unten… und heute war sie Lektorin. Eine Unmengen an Kaffee und Zigaretten konsumierende, ständig hustende, oft kränkelnde Lektorin… und Quentin liebte sie wie am ersten Tag ihrer Beziehung.
    Jetzt hatte er große Angst um sie. Er hatte sich ein paar Tage frei nehmen können, um möglichst immer bei seiner Frau zu sein. Den aktiven Job bei der Feuerwehr hatte er längst durch einen Schreibtischposten vertauscht, also war er auch durchaus einmal abkömmlich.
    Ja, Angst, denn die Ärzte hatten Quentin deutlich zu verstehen gegeben, dass die Lungenentzündung das Herz seiner Frau attackiert hatte, die Lungen waren voller Wasser… es stand mehr als schlecht um Lea. Es bestand höchste Lebensgefahr.
    Bewaffnet mit einigen der Lebensmittel, die Lea hier
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